Algenwirtschaft: Nachhaltige Aquakultur in Schleswig-Holstein

Logo von oceanBASIS GmbH
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Autorin: Jona Gruse

Mit den zunehmend spürbaren Klimaveränderungen sowie sich ändernden gesetzlichen Vorgaben zu Nachhaltigkeit rückt ein zukunftsorientiertes Wirtschaften immer stärker in den Fokus von Unternehmen. Immer häufiger sind sie daran interessiert, ihre Geschäftsidee auf einer nachhaltigen Grundlage aufzubauen. Die „oceanBASIS GmbH verfolgte dieses Ziel bereits bei der Firmengründung vor über 20 Jahren, damit gilt das Unternehmen wahrlich als Vorreiter!

Damals entschied sich oceanBASIS Ökonomie und Ökologie unter einen Hut zu bringen und somit nicht nur wirtschaftlichen Profit zu generieren, sondern gleichzeitig das Meer und die Umwelt zu schützen und vorzumachen, dass Wirtschaft und Nachhaltigkeit sich nicht gegenseitig ausschließen. Nicht nur der Sitz der Firma, mit Blick auf den Nord-Ostsee-Kanal in Kiel Holtenau, verdeutlicht das Herzensthema des Unternehmens. Auch der meeresbiologische Hintergrund zwei der drei Gründer*innen der Firma war für das Anliegen, das Meer zu schützen, ausschlaggebend.

Da der An- und Abbau von Algen in Europa Anfang der 2000er Jahre noch in der Anfangsphase steckte, sah oceanBASIS eine Chance als eines der ersten Unternehmen in Europa in der Branche Fuß zu fassen. Bereits 2000 startete das Unternehmen, im Rahmen eines Forschungsprojektes zu nachhaltiger Aquakultur, mit der Entwicklung und dem Aufbau der ersten Algenfarm Deutschlands. Inzwischen wurde diese als „Kieler Meeresfarm“ ausgegründet. Der Algenwirtschaft ist das Unternehmen bis heute treu geblieben. 

Algen, das neue super-food?

Algen in der Kieler Meeresfarm, Quelle: oceanBASIS GmbH
Algen in der Kieler Meeresfarm, Quelle: oceanBASIS GmbH

Das große Potenzial von Algen und ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten inspiriert die Mitarbeiter*innen bis heute. Algen enthalten verschiedene Meeresmineralien, Vitamine, Aminosäuren, Polyphenole und spezielle Algenzucker, weshalb sie sehr gesund sind. Algen haben zudem einen positiven Einfluss auf das Klima, da sie CO2 binden und Sauerstoff produzieren. Sie verbrauchen im Vergleich zu Landpflanzen auch keine zusätzlichen Landflächen. Außerdem müssen sie nicht gedüngt werden und bieten einen Schutz- und Lebensraum für Fische. Werden die Algen also nachhaltig angebaut und geerntet, können sie positiv auf die Meeresumwelt einwirken.  

Wie genau der Anbau und das nachhaltige Ernten der Algen funktioniert und welche Produkte oceanBASIS herstellt, erklärt der Mitgründer von oceanBASIS Christian Koch.  

Auf der Kieler Meeresfarm kennzeichnet ein durch Tonnen markiertes Sperrgebiet den Bereich des 6000 qm großen Algenfeldes. Innerhalb des Sperrgebietes werden Saatleinen gespannt, die durch Gewichte am Meeresboden verankert sind. An diesen Leinen wachsen die Algen. Die Aussaat erfolgt ab Oktober. Ab einer Wassertemperatur von 15 Grad werden die Saatleinen eingeholt, ansonsten beginnen die Algen zu faulen. Meistens erfolgt das Einholen Mitte bis Ende Mai. Mit einem Ernteboot werden die Algen von den Saatleinen entfernt, ohne die Böden dabei zu zerstören. 

Es gibt verschiedene Aspekte, die bei dem Anbau von Algen berücksichtigt werden müssen. Der Salzgehalt des Wassers muss stimmen und die Strömung darf nicht zu stark, aber auch nicht zu gering sein. Außerdem bevorzugen Algen kalte Wassertemperaturen. Aus diesem Grund wachsen die Algen in der Ostsee langsamer als in der Nordsee. So bezieht oceanBASIS heute einen Großteil seiner Algen aus biozertifizierter Aquakultur in Norwegen. Ein nachhaltiger Erntevorgang ist für das Unternehmen besonders wichtig, da das Team dem Meer nur das entnehmen will, was es selbst hineingegeben hat, um so den Meeresschutz zu gewährleisten.

Forschung und Verarbeitung

Anschließend werden alle Algen direkt am Firmenstandort in Kiel verarbeitet. Dafür werden sie zerkleinert, gemahlen und in einen Tank gefüllt. Mit eigens dafür entworfenen Extraktionsmethoden wird durch die Zugabe von Hefe eine Fermentation angestoßen. Bei Algen wie dem Zuckertang entsteht dadurch ein haltbares Extrakt, das bis zu 15 % Alkohol enthält. Anschließend erfolgt ein mehrstufiger Filtrationsprozess. Nach der sogenannten Queerstromfiltration ist das Algenextrakt keimfrei und kann weiterverarbeitet werden. Das Extraktionsverfahren wurde durch wissenschaftliche Mitarbeiter*innen entwickelt, um die Inhaltsstoffe schonend aus den Algen herauszubekommen. Ganz nach dem Motto des Unternehmens „sea.science.solutions“ spielt die Wissenschaft bei oceanBASIS eine zentrale Rolle.

Für weitere Informationen zum Extraktionsverfahren besuchen Sie gerne den Oceanblog! 

https://oceanblog.de/2019/09/algen-ferment-ist-trend/  

Seit den ersten Anbauversuchen und Testphasen auf der Algenfarm ist die Forschung an Algen ein zentrales Thema bei oceanBASIS. Das Team forscht insbesondere an neuen Kultivierungstechniken für Algen in der Ostsee, aber auch andere Forschungsschwerpunkte wie die Anwendung von Meeresressourcen in der Medizin, Kosmetik und Ernährung werden thematisiert. Die Forschung erfolgt in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und Universitäten.

Oceanwell und Meeresgarten

Oceanwell-Produkte von oceanBASIS GmbH
Oceanwell-Produkte von oceanBASIS GmbH

Mit Algenextrakt und Meerwasser stellt das Unternehmen seit 2001 selbst entwickelte Kosmetikserien mit verschiedenen Hautpflegeprodukten her, die unter dem Produktnamen „Oceanwell“ verkauft werden. Die maritime Naturkosmetik ist NATRUE-zertifiziert und bietet ein vielseitiges Sortiment von Pflegecremes, über Körperpeelings und Reinigungsgels für alle Hauttypen. Die Abfüllung erfolgt bei einem Lohnhersteller in Schleswig-Holstein. 

Seit 2015 hat oceanBASIS ihren Produktionsbereich vergrößert und entwickelt nun auch Lebensmittel auf Algenbasis. „Meeresgarten“ nennt sich die neuste Marke: Neben Algen-Spaghetti sind die getrockneten Algenflakes besonders beliebt, da sie vielfältig eingesetzt werden können und Suppen, Salaten oder Saucen eine würzige Note verleihen. 

Handel, Verantwortung und Vertrauen

Auch eine Auseinandersetzung mit der Lieferkette ist für das Unternehmen von zentraler Bedeutung. Das Unternehmen legt großen Wert darauf, mit Lieferant*innen und anderen Unternehmen zusammen zu arbeiten, die ebenfalls bemüht sind eine nachhaltige und faire Lieferkette zu gewährleisten. Aus diesem Grund steht oceanBASIS mit vielen Partner*innen und Zuliefer*innen im persönlichen Kontakt. Teile der Lieferkette sind jedoch auch für oceanBASIS nicht vollständig transparent.

Die Produkte lässt oceanBASIS über einen Lohnhersteller abfüllen. Dafür stellen sie die Algenextrakte und Meerwasser zur Verfügung. Weitere Rohstoffe, die nicht in Europa hergestellt werden, so wie Jojobaöl und Sheabutter aus Ghana oder Simbabwe werden durch die Lohnhersteller*innen direkt von den Produzent*innen vor Ort gekauft. Ob die Produktion dort unter fairen und nachhaltigen Bedingungen abläuft, lässt sich für oceanBASIS nur schwer nachvollziehen, erzählt Christian Koch. Vertrauen und positive Erfahrungen spielen daher eine umso größere Rolle. Vertrauen ist für das Unternehmen sehr wichtig und der persönliche Kontakt mit Lieferant*innen trägt dazu bei. 

„Dieses garantieren wollen, dass die Lieferkette 100 % ethisch einwandfrei ist, das ist vielleicht gar nicht möglich und dann ist Vertrauen das Mittel der Wahl."

Christian Koch (Mitgründer von oceanBASIS GmbH)

Oceanwell-Produkte von oceanBASIS GmbH
Oceanwell-Produkte von oceanBASIS GmbH

Um die Nachverfolgung dennoch so transparent wie möglich zu gestalten, produziert das Unternehmen in Deutschland und bezieht Rohstoffe, sofern es möglich ist, aus Europa. Dazu gehören zum Beispiel der Kunststoff für die Produktverpackungen. Verarbeitet wird dieser von einer Firma in Süddeutschland. Der enge Kontakt zu den Hersteller*innen ermöglicht es dem Unternehmen einen Einblick in den Herstellungsprozess zu erhalten. Ein persönliches und transparentes Verhältnis pflegt oceanBASIS auch mit anderen Kooperationspartner*innen, welche bei der Produktion oder bei internationalen Exporten unterstützen 

Gemeinwohl Ökonomie – Ein Konzept mit Zukunft!

Nicht nur nach außen hin spielt Nachhaltigkeit für oceanBASIS eine zentrale Rolle, auch intern gibt es verschiedene Konzepte, die umgesetzt werden. Das beginnt bereits bei der persönlichen Lebenseinstellung der Mitarbeiter*innen, was sich auch auf das Leben im Büro auswirkt. Das Unternehmen versucht den Alltag möglichst nachhaltig zu gestalten, zum Beispiel durch E-Mobilität, Energiesparmaßnahmen oder Bio-Essen zur Mittagspause. 

Um Nachhaltigkeit stetig weiter zu fördern, begeistern sich die Geschäftsführung und die Mitarbeiter*innen für das Konzept der Gemeinwohl Ökonomie (GWÖ), welches seit 2020 bei oceanBASIS gefördert und umgesetzt wird. Dieses Prinzip stellt ein ethisches Wirtschaften in den Vordergrund, bei dem das Wohl von Mensch und Umwelt an erster Stelle steht. 

Viele dieser Aspekte wurden bereits vor 2020 umgesetzt, seitdem konnte die Bilanz sogar noch verbessert werden. Für die Umsetzung gibt es 5 Teams, die sich mit verschiedenen Themen wie Finanzen, Mitarbeiter*innen oder Einkaufsrichtlinien auseinandersetzen, um diese im Sinn der Gemeinwohl Ökonomie zu verbessern. Für die Durchsetzung ist es besonders wichtig, dass Unternehmen nicht ausschließlich profitorientiert agieren, erklärt Christian Koch. Das Gemeinwohl muss ebenso gefördert werden, demnach muss das Kapital anders verteilt werden. Die Unternehmenskultur zu verbessern und auch bei einem wachsenden Team aufrecht zu erhalten, ist langfristig ein Ziel von oceanBASIS.

Kurz zusammengefasst haben wir immer versucht hier sinn- und seelenvoll zusammenzuarbeiten.“

Christian Koch (Mitgründer von oceanBASIS GmbH)

Der Gemeinwohl-Ökonomie-Bericht von oceanBASIS – „Nachhaltigkeit mit Meerwert“ steht online zur Verfügung: 

https://www.oceanbasis.de/gwoe/  

Christian Koch sieht positive Zukunftschancen für das Unternehmen und für die Branche der Algenwirtschaft allgemein. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern bildet Deutschland das Schlusslicht im Bereich des Algen An- und Abbaus. Um das zu ändern, müssen die positiven Aspekte der Algenagrarkultur mehr nach außen getragen werden. Daran ist auch die Europäische Union interessiert, weshalb 2022 die Plattform „EU4 Algae“ zur Förderung von Algen und Mikroalgen ins Leben gerufen wurde. Dort werden nicht nur positive Aspekte und Anwendungsmöglichkeiten von Algen dargestellt, sondern auch Forschungsbeiträge veröffentlicht. Dadurch erhofft Christian Koch sich auch, dass die Nutzung von Algen als regionales Produkt in Küstenregionen wie Schleswig-Holstein im Alltag vieler Menschen ankommt. 

Das Team von oceanBASIS, Foto von Oliver Staack, oceanBASIS GmbH
Das Team von oceanBASIS, Foto von Oliver Staack, oceanBASIS GmbH

Obwohl nachhaltiges Wirtschaften im Fokus des Unternehmens steht, bringt die Umsetzung ständig neue Herausforderungen mit sich. So muss die Geschäftsführung immer wieder abwägen was der „richtige“ Weg ist, was ethisch und wirtschaftlich vertretbar ist und was bei den Kund*innen gut ankommt. Auch der Wunsch des Unternehmens, in der Zukunft Klimapositiv zu sein, bringt einige Herausforderungen mit sich. Die Umsetzung bis dahin ist kleinteilig und beginnt im Detail - Beispiel Verpackungen: Für Oceanwell gibt es aktuell noch nicht die eine nachhaltige Verpackungslösung auf dem Markt. Die Firma nutzt derzeit leichte Kunststoffverpackungen aus Monomaterial, die zu 100 % recycelbar sind. Langfristig möchte oceanBASIS eine produktsichere Verpackung aus komplett recycelfähigem, nicht mineralölbasiertem, leichtem Material für ihre Produkte nutzen. 

Christian Koch wünscht sich, dass Unternehmen grundsätzlich nachhaltiger agieren. Dafür hofft er, dass die Kund*innen dieses Verhalten zukünftig stärker von Unternehmen einfordern, denn auch sie sind in der Verantwortung nachhaltiges Wirtschaften voranzubringen und können als Haupthebel für eine wirtschaftliche Transformation agieren. Dennoch geht oceanBASIS mit einem guten Beispiel voran und wird auch weiterhin mit nachhaltigen und alternativen Produkten aufzeigen, wie schön Nachhaltigkeit sein kann!   

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