„Man versucht und tut und es ist einfach nie gut genug“ – Hof Schmörholm

Autorin: Lea Kleymann

Mein nunmehr viertes Interview mit Landwirt*innen aus Schleswig-Holstein (S-H) führt mich nach Nordfriesland. Eine schier unendliche Fahrt auf der A7 Richtung Dänemark, dann biege ich doch ein wenig früher ab, um an die Westküste zu fahren. Hier war ich noch nie, eine ganz neue Erfahrung. Das platte Land kenne ich aber aus meiner Kindheit, denn im Emsland (West-Niedersachsen) sieht es ähnlich aus. An einem grauen Dezembermorgen fahre ich zum Hof Schmörholm zur Familie Brodersen. Ein wunderschöner Hof, der sich von dem tristen Wetter absetzt. Hier laufen Ziegen, Hühner, Hund und Katze frei herum, was dem Bullerbü-Feeling sehr hilft. Nach 1,5 Stunden Autofahrt durch das verregnete Schleswig-Holstein bin ich guter Dinge und freue mich auf das Interview mit Hauke und Roswitha. 

Seit 2004 führt das Ehepaar den Hof Schmörholm in Leck, bewirtschaften 90 Hektar (ha), halten 900 Schweine, 70 Rinder, bauen die Sonderkulturen Erdbeeren, Himbeeren und Heidelbeeren auf 2 ha in einem geschützten Anbau an und unterhalten 12 Ferienwohnungen.  

Was heißt geschützter Anbau?

Unter geschützten Anbau versteht man z.B. Unter-Glas-Gemüsebau und den Anbau unter Folientunneln.

 

Mit dieser Hektaranzahl liegen sie knapp über dem Durchschnitt in S-H. Die durchschnittliche Betriebsgröße im nördlichsten Bundesland beträgt 84 ha. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft macht sich auch hier bemerkbar, denn die Betriebe, die von einzelnen Personen oder Ehepaaren geführt werden, nehmen ab. Die Zahl der viehhaltenden Betriebe sank in den letzten drei Jahren um 7 Prozent. Nach Statistik Nord betraf das vor allem die Schweinehaltung, denn es sanken sowohl die Betriebs- (minus 25%) als auch die Bestandszahlen (minus 23%)i. Die Fleischproduktion nimmt also in S-H ab. Hauke Brodersen betont immer wieder den Stoffkreislauf, den der Hof betreibt, das eigene Getreide wird verfüttert, die Gülle aufs Feld gebracht, die Rinder fressen Gras und es wird wenig zugekauft. Ein Stoffkreislauf, den es schon lange gibt. Zusammengefasst ist Hof Schmörholm ein ganz normaler Betrieb, der konventionell wirtschaftet und doch mehr bietet als man denkt. 

Hauke Brodersen erklärt auch, dass er Schweinefleisch für die Schale produziert. Also für die Verbraucher*innen, die gerne günstig einkaufen möchten. Seine Produktion ist an Auflagen geknüpft, bei denen er häufig kein Mitspracherecht hat und die von der Politik oder dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) vorgegeben werden. “Der LEH betrachtet nur die eigenen Margen und wird daran auch nichts ändern”, so Hauke. Die Politik hingegen könne etwas ändern, tue aber zu wenig. Man fühle sich innerhalb der EU nicht fair behandelt, denn die deutsche Produktionsweise hebe sich sehr von der in anderen EU-Ländern ab, erklärt das Ehepaar. Es wäre schön, wenn man fair behandelt werden würde. Für beide ist klar, dass die deutsche landwirtschaftliche Produktion nicht immer voran gehen und erwarten solle, dass alle anderen Länder nachziehen. Politik solle eher kleinschrittig arbeiten, so die beiden. 

Auffällig ist die Diversität, die dieser landwirtschaftliche Betrieb zu bieten hat. Nicht nur die Produktion von Feldfrüchten, sondern auch die Aufstellung des Betriebs mit Ferienwohnungen einschließlich des familienfreundlichen Programms. „Wir versuchen immer um die Ecke zu denken, nicht so 0815.“, erklärt Roswitha. Früher hatte man den beiden ans Herz gelegt, immer größer zu werden und auf Leistung zu setzen, heute sei das anders. Es gebe aber noch landwirtschaftliche Beratungsfirmen, die diesen Leistungsansatz vertreten, aber das sei nicht mehr ihrs. Ein so großer und breit aufgestellter Hof heißt aber auch, immer zu arbeiten und fast nie eine ruhige Minute zu haben. Die nächsten 10 Jahre wird es so weitergehen, die großen Anschaffungen seien getätigt, jetzt heißt es Schulden abbezahlen. 

Hauke und Roswitha halten mit ihren Meinungen nicht hinterm Berg. Sie sind möglicherweise das Sinnbild eines Familienbetriebs, der sich von Politik, Verbraucher*innen und den eigenen Interessensvertreter*innen im Stich gelassen fühlt. Egal welcher Schuh angezogen wird, er drückt - und das gewaltig. Änderungen werden gefordert, hin zu weniger Bürokratie, weniger Richtlinien, weniger Gesetzen und mehr Geld für die Produktion. In ihrem Wirkkreis, der sich stetig vergrößert, schaffen sie eine Menge. Es ist wichtig, die Verbraucher*innen mit ins Boot zu holen und aufzuklären. Wie schon in meinen letzten Gesprächen deutlich wurde, hat der*die Verbraucher*in wenig bis keinen Kontakt zur heutigen Landwirtschaft. Mit Hofführungen und Veranstaltungen z.B. an Weihnachten laden Hauke und Roswitha Verbraucher*innen auf ihren Hof ein und zeigen, wie moderne, konventionelle Landwirtschaft aussehen kann. So sind die Ferienwohnungen, Feste und Veranstaltungen nicht nur ein netter Nebenerwerb, sondern dienen auch dem Anlass, ins Gespräch zu kommen und Landwirtschaft wieder in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Hof Schmörholm spielt eine Rolle, wenn es heißt, Verbraucher*innen an die Landwirtschaft heranzuführen und diese nahbar zu machen. Einen Hof zu öffnen, der unter anderem konventionelle Schweinemast betreibt und Besucher*innen einlädt, ist eine enorme Herausforderung. Damit leisten die beiden einen nicht zu unterschätzenden Beitrag bei jedem einzelnen Menschen, der auf den Hof kommt und dadurch auch in der öffentlichen Debatte. Die Position der beiden ist eine besondere, derer sich beide nur wenig bewusst zu sein scheinen. Sie könnten diese nutzen, um auch die globale Dimension in den Fokus des eigenen Wirtschaftens zu rücken. Landwirtschaft in S-H unterliegt einer globalen Verantwortung, wozu natürlich die SDGs hervorragend passen. Was hat das eigene wirtschaftliche Handeln mit Menschen aus dem Globalen Süden zu tun und wie beeinflussen Entscheidungen, wie der Einkauf von Saatgut oder Dünger die Leben anderer? Fragen, die wir uns als Gesellschaft oder auch Selbstständige in der Landwirtschaft stellen sollten, denn globale Verantwortung geht uns alle an, solange wir aktiv zur globalen Ungleichheit beitragen. 

Am Ende interessiert mich noch, ob Roswitha und Hauke Interesse an einem Austausch mit Menschen und Landwirt*innen aus dem Globalen Süden hätten. Beide verneinen, denn die Zeit sei knapp und wertvoll. Der Eindruck entsteht, dass beide dann handeln, wenn es für den Hof einen Vorteil hat. Das kann ich verstehen. Austausch ist wichtig und wir können eine Menge voneinander lernen, aber schließlich geht es auch immer um eine Kompromissbereitschaft. Ob beide diese in Zukunft aufbringen können, wird die Zeit zeigen. Ich hoffe, es jedoch sehr!  

Dann setze ich mich wieder in meinen kleinen Leihwagen, ohne den ich heute nicht in Nordfriesland angekommen wäre und fahre 1,5 Stunden zurück nach Kiel. Es hat mich gefreut, mit Roswitha und Hauke zu reden, deren Perspektive zu sehen und endlich mal Landwirt*innen zu begegnen, die sauer sind. Nicht alles worüber wir geredet haben, habe ich in diesem Artikel unterbringen können, es waren zu viele Themen. 

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