Wie sieht fairer Handel in Schleswig-Holstein aus?
Autorin: Jona Gruse
Aykut Kayabas und Juliane Aigner führen gemeinsam das Fairtrade-Unternehmen „ONE-Fairtrade“ in der Hansestadt Lübeck. Bereits 2002 übernahmen die beiden einen Weltladen in Lübeck und sammelten viele Erfahrungen im Einzelhandels- und Nachhaltigkeitsbereich. Auch heute sind die beiden mit viel Begeisterung und Herz bei der Sache.
Mit der Gründung ihres eigenen Unternehmens im Jahr 2014 wollen sie ihre Vision einer nachhaltigen und fairen Wirtschaft weiter fördern. In den letzten neun Jahren wurde die Grundidee für den Laden in der Lübecker Altstadt nur leicht abgewandelt, während sich die Produktauswahl stetig vergrößert hat. Im Fokus steht nach wie vor die Unterstützung der Länder des globalen Südens, auch im Hinblick auf eine faire Lieferkette und Nachhaltigkeit. Neben wirtschaftlichen Aspekten steht auch die Förderung sozialer Aspekte, sowie das Anbieten und Verbreiten kultureller Produkte aus anderen Ländern der Welt, im Vordergrund. Der bunte und gemütliche Laden lädt zum Stöbern ein und bei dem vielfältigen Sortiment ist für jede*n etwas dabei. Schmuck aus Indien, Papier aus Nepal, Stofftiere aus Thailand, Bambusschalen aus Vietnam und vieles mehr. Und natürlich alles Fairtrade! Aber was genau bedeutet Fairtrade für das Unternehmen?
„Für uns bedeutet Fairtrade, dass wir nur Produkte anbieten, die fair gehandelt werden, das heißt auch zertifiziert sind, beziehungsweise sind uns die Händler bekannt und wir wissen, dass diese ebenfalls unsere Grundsätze einhalten. Wichtig ist uns dabei auch, dass die Produzenten von dem Fairtrade Gedanken profitieren und dadurch auch etwas gewinnen.“
Fairer Handel, genau das soll auch das Logo von ONE Fairtrade ausdrücken. Das wurde von den beiden selbst entworfen und zeigt die Handlungskette zwischen den Menschen. Der Name „ONE“ steht für Gemeinsamkeit und soll dabei alles verbinden. „Das ist zwar nicht besonders originell, aber jeder versteht das“.
Außerdem haben die Buchstaben eine passende Bedeutung: O=Organic, N=Natural, E=Ethical.
Eine Besonderheit des Ladens besteht darin, dass vor Ort frischer Kaffee geröstet wird. Damit waren sie in Lübeck eine der ersten Kaffeeröstereien. Inzwischen geben sie ihr Wissen auch gerne an andere Röstereien in der Gegend weiter. Der Fairtrade Kaffee ist eins der beliebtesten Produkte das bei ONE gekauft wird. Verschiedenste Sorten aus Äthiopien, Kolumbien, Nicaragua, Peru, Guatemala, Mexiko und Honduras werden fast rund um die Uhr frisch im Laden geröstet und verbreiten einen Kaffeeduft, der die Kund*innen von der Straße lockt.
Da darf eine eigene Kaffeekreation natürlich auch nicht fehlen! „Liubice“ heißt der Lübecker Stadtkaffee, den die beiden selbst kreiert haben. Die große Nachfrage nach Kaffee war auch ausschlaggebend für die Erweiterung des Ladens. 2021 wurde die „Altstadtrösterei“ eröffnet. Nur wenige Gehminuten vom Laden entfernt, lädt das gemütliche Café jederzeit zu Fairtrade Kaffee und Kuchen ein.
Durch das Fairtrade Konzept ihres Unternehmens haben sich die beiden bereits früh mit den Lieferketten ihrer Produkte auseinandergesetzt und sind sich einig, dass Fairtrade nicht ohne Berücksichtigung dieser existieren kann. Besonders wichtig ist ihnen eine Transparenz gegenüber ihrer Kund*innen, weshalb Aykut und Juliane für einige ihrer Produkte Flyer mit Angaben zur Herstellung, Material und den Produzent*innen zusammengestellt haben. Mit einigen Produzent*innen steht das Unternehmen auch im direkten Kontakt, um genau feststellen zu können, wie die Ware hergestellt, verpackt und versendet wird.
Anders ist es, wenn der Handel der Produkte über Zuliefer*innen erfolgt. Heute arbeiten sie bereits mit vielen Zuliefer*innen seit Jahren zusammen. Die Voraussetzung für die Zusammenarbeit ist ein nachhaltiger und menschenrechtsschützender Umgang innerhalb der Lieferkette. Der Markt an Zuliefer*innen, die in Frage kommen, ist insofern überschaubar und eine langfristige Zusammenarbeit entsteht häufig durch Erfahrungen und Empfehlungen von anderen Fairtrade Unternehmen.
Eine komplette Absicherung für eine faire Lieferkette ist trotzdem nicht möglich, das ist den beiden bewusst. Alles lässt sich nicht kontrollieren, demnach wird viel auf Vertrauen und Erfahrungen gesetzt. Auch Zertifizierungen und Siegel von Zuliefer*innen sind ausschlaggebend für eine Zusammenarbeit.
„Handel ist auch immer ein Stück vertrauen, also muss sich angeguckt werden mit wem betreibe ich Handel, was hat der für eine Idee und wie arbeiten die. Und da unsere Händler nie negativ aufgefallen sind kann man davon ausgehen, über die vielen Jahre und Zertifizierungen die sie haben, dass man sich darauf verlassen kann.“
Das Einhalten von Menschenrechten und eine faire Lieferkette zu gewährleisten ist für Aykut und Juliane besonders wichtig und sie versuchen dies so gut es geht zu überprüfen. Bei Produkten, wo es keinen direkten Kontakt mit den Hersteller*innen gibt, haben die beiden einen Fragenkatalog zusammengestellt. Dieser soll von den Produzent*innen beantwortet werden, um einen Überblick über die Strukturen und Arbeitsverhältnisse zu erhalten.
„Das Prinzip des Wareneinkaufes ist im Grunde immer gleich. Auf die Bestellung folgt eine anteilige Vorauszahlung, bevor die Produktion beginnt. Bei Produktionsabschluss bezahlen wir den Rest, erst danach wird die Ware versendet. Oder wir kaufen bei anderen Fairtrade Importeuren unseres Vertrauens ein. In dem Fall leistet dieser die direkte Zahlung beim Produzenten. Die Lieferung der Ware erfolgt meistens per Schiff in Containern. Besonders bei großen Mengen, wie zum Beispiel Rohkaffee.“
Eine 100% Sicherheit gibt es natürlich nicht, aber die kann es auch gar nicht geben. Fairtrade ist nicht gleich Perfektion für Aykut und Juliane, anders als viele häufig denken. Fairtrade bedeutet für das Unternehmen einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen, mit der Möglichkeit, Missstände zu verbessern. Dass die Veränderungen von Strukturen ein kontinuierlicher, aber langsam voranschreitender Prozess ist, vergessen viele. Deshalb ist es für die beiden umso wichtiger dranzubleiben, um einen Wandel voranzutreiben.
Nachhaltigkeit ist ebenfalls fester Bestandteil des Fairtrade Konzepts und wird bereits seit der Gründung umgesetzt. Insbesondere der Verpackungsmüll soll reduziert werden. Wiederverwendbare Kaffeetüten aus Umweltpapier gibt es bei ONE-Fairtrade bereits seit Jahren. In Lübeck waren sie damit das erste Unternehmen, welches durch diese Strategie aktiv Müll reduziert. 80 % ihrer Kund*innen nutzen das Angebot und lassen sich ihre Kaffeetüten jedes Mal neu befüllen. Nachhaltigkeit spielt auch bei den Produkten, die zum Verkauf angeboten werden, eine entscheidende Rolle. Bei der Auswahl der Produkte wird viel Wert daraufgelegt, dass diese aus nachhaltigen Materialen hergestellt werden.
Einige Dinge lassen sich trotzdem nicht vermeiden. Insbesondere wenn es um die Transportwege der Waren geht. Der größte Teil ihrer Produkte wird verschifft und einmal jährlich werden Produkte mit dem Flugzeug geliefert. Der Transport vor Ort in Lübeck erfolgt aber ganz Emissionsfrei. Geschäfte und Unternehmen werden in Lübeck mit dem Lastenfahrrad mit frischem Kaffee versorgt.
Das Konzept des Ladens wird in der Hansestadt sehr gut aufgenommen und die Unterstützung kommt nicht nur aus der Bevölkerung, sondern auch von der Stadt. Insbesondere die sozialen Aspekte die dieser Ansatz mit sich bringt werden positiv angenommen. Als eines der ersten Geschäfte in Lübeck mit Fokus auf Nachhaltigkeit und Fairtrade, hat ONE Fairtrade die Entwicklung und den Trend zur Nachhaltigkeit in Lübeck mitgestaltet. Wie groß dieser Einfluss ist, lässt sich nicht sagen, aber das Unternehmen hat sich ein großes Netzwerk aufgebaut, was von vielen Seiten unterstützt wird. Mittlerweile erfreut sich ONE-Fairtrade an Kund*innen aus jeder Altersklasse, die teilweise seit Jahren zum Einkaufen und Kaffeetrinken vorbeikommen.
Den Fairtrade- und Nachhaltigkeitsansatz umzusetzen, stellt die beiden aber auch immer wieder vor neue Herausforderungen. Ihnen ist das wichtigste dem Ansatz treu zu bleiben und den Kerngedanken beizubehalten. Ein Versprechen, welches bei der aktuellen Wirtschaftssituation, den Preisschwankungen und Lieferengpässen nicht immer einfach zu halten ist.
„Die Herausforderung liegt bei der Entscheidung weiterhin Fairtrade zu unterstützen und sich nicht in schwierigeren Situationen dagegen zu entscheiden und dann doch irgendwo einzukaufen wo es günstiger ist."
Auch privat sind Aykut und Juliane sehr auf Nachhaltigkeit bedacht. Aykut ist politisch aktiv und engagiert sich bei unserem Mitgliedsverein Fairtrade Stadt Lübeck. Dieser leistet nicht nur Bildungsarbeit, sondern hat auch einen Stadtplan veröffentlicht, in den alle nachhaltigen Unternehmen und Geschäfte für die Bevölkerung und Tourist*innen zu finden sind.
Und wie wird es in Zukunft mit ONE Fairtrade weitergehen? Eine kleine Erweiterung ist bereits in Arbeit. Der Raum über ihrem Café wird aktuell ausgebaut und soll zukünftig für vielfältige Nutzungen, wie Seminare oder Feiern, zur Verfügung gestellt werden. An weiteren Vergrößerungen ihres Unternehmens arbeiten die beiden aktuell nicht, das widerstrebt auch ihrem Fairtrade Konzept. Die beiden arbeiten lieber weiterhin an der Basis und fördern den fairen Handel bis nach Schleswig-Holstein weiter!