Flensburg 2030+: Flensburgs Strategie für nachhaltige Entwicklung als Gemeinschaftsaufgabe
Autorin: Inke Kühl
Die Europäische Union hat in ihrem Klimagesetz festgeschrieben, bis 2050 als Kontinent klimaneutral zu werden und bis 2030 als Etappenziel 55 Prozent der Treibhausgasemissionen gegenüber dem Jahr 1990 einzusparen[1]. Deutschland möchte die Klimaneutralität schon 2045 erreichen und 2030 bereits 65 Prozent der Treibhausgasemissionen gegenüber dem Jahr 1990 einsparen[2]. Nun sind die EU- bzw. Bundesziele in der Umsetzung für Kommunen teilweise schwer zu greifen. Darum machten sich in den letzten Jahren immer mehr Städte und Gemeinden über die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen auf den Weg hin zu Zukunftsfähigkeit und Klimaneutralität. Die Transformation unserer bisherigen Lebensweise soll über diese Ziele erreicht werden.
Die Ziele sind auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt, alle lassen sich auf kommunale Aktivitäten herunterbrechen bzw. mit dem Ziel 11 rückt die Rolle von Kommunen sogar in den Fokus: „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten“[4] – Deutschland hat 63 Ziele zur konkreten Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele formuliert. Die Erreichung dieser Ziele soll mittels eines veröffentlichten Indikatorenberichtes alle zwei Jahre transparent gemacht werden[5].
Auch Flensburg hat sich auf den Weg zur Umsetzung der SDGs gemacht und arbeitete seit Sommer 2021 an einer Stadtentwicklungsstrategie[6]. Damit soll die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in der Kommune vorangetrieben werden. Die Steuerungsgruppe aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, zu der auch das BEI gehört, arbeitete bis Ende 2023 eine Vision sowie Ziele und Maßnahmen für die Strategie aus. Die Nachhaltigkeitsziele wurden in sieben Handlungsfelder heruntergebrochen, zu denen die strategischen Ziele und Maßnahmen ausgearbeitet werden:
Mobilität
Lebenslanges Lernen
Bildung & Kultur
Nachhaltiger Konsum & Nachhaltiges Wirtschaften
Wohnen & nachhaltige Quartiere
Materielle und immaterielle Vermögenswerte
Gesundheit & gesellschaftliche Teilhabe
Klima, Umwelt & Ressourcenschutz.
Dabei geht es um die lokale Umsetzung der SDGs, beispielsweise die medizinische Versorgung im Rahmen des SDG 3 – Gesundheit und Wohlergehen. Die Nachhaltigkeitsziele beinhalten immer auch die globale Dimension, das heißt, es soll mitgedacht werden, was die Stadt Flensburg tun kann, um mit den ausgearbeiteten Maßnahmen auf lokaler und globaler Ebene einen Beitrag zur Umsetzung der SDGs zu leisten. Dies kann beispielsweise faire und nachhaltige öffentliche Beschaffung sein (SDG 8 und 12), aber auch Wasser- und Energieversorgung (SDG 6 und 7) sind Themen, die über die Stadtgrenzen hinausgedacht werden müssen[7].
Die Stadt Flensburg erarbeitete die Strategie gemeinsam mit der Stadtbevölkerung partizipativ. Durch Online-Beteiligungen und verschiedene Gesprächsformate in der Stadt sowie Workshops in Schulen konnten die Zwischenergebnisse des Prozesses von den Flensburger*innen kommentiert und neue Ideen eingebracht werden. Zu Beginn des Jahres 2024 wurde die ausgearbeitete Strategie in die Ratsversammlung gegeben. Auf einer Klausurtagung im Februar 2024 wurden die Strategie und die vorgeschlagenen Maßnahmen im Stadtrat intensiv diskutiert, sodass die Stadtentwicklungsstrategie Flensburg 2030 anschließend Ende Mai verabschiedet wurde. Damit ist alles bereit für die Umsetzung!
Parallel ist Flensburg Ende des Jahres 2023 zur Global Nachhaltigen Kommune[8] geworden und damit Teil eines bundesweiten Netzwerks von Kommunen, die sich für eine nachhaltige und global gerechte Kommunalpolitik einsetzen.
Das BEI begrüßt, dass die Strategie in ganz verschiedenen Bereichen konkrete Maßnahmen für Flensburgs Beitrag zu globaler Gerechtigkeit enthält. Ein sichtbarer und hoffentlich langfristig auch spürbarer Erfolg für die entwicklungspolitische Inlandsarbeit hier in Flensburg!
So sollen bei der städtischen Beschaffung bis 2030 der gekauften Produkte öko-fairen Kriterien entsprechen. Die Vergabe städtischer Flächen soll künftig auch anhand von Nachhaltigkeitskriterien erfolgen: Gewerbe, dass sich lokal und global für gute Arbeitsbedingungen engagiert, kann in der Vergabematrix Zusatzpunkte erhalten. Auch generell soll die Flensburger Wirtschaft stärker an das Thema von der Einhaltung von Menschenrechten in Lieferketten herangeführt werden, sodass dort Verbesserungen erreicht werden. Im Bereich Bildung sollen faire Kitas und FairTrade Schulen weiter etabliert werden, passend dazu soll auch Globales Lernen ein fester Bestandteil des städtischen BNE-Konzepts werden. Die Stadt Flensburg peilt außerdem an, die Gemeinschaftsverpflegung an Schulen und Kitas bis 2030 sukzessive umzustellen, sodass soziale und ökologische Kriterien bei der Auswahl der Verpflegung berücksichtigt werden.
Im Beschluss findet sich außerdem der Satz: “Flensburg übernimmt globale Verantwortung”. Hiermit soll das Thema Erinnerungskultur gestärkt werden: stadtgeschichtlich aktive Gruppen sollen vernetzt und gefördert werden, ein Denkmal gebaut werden, dass sich “zukunftsgerichtet und kritisch”[9] mit dem kolonialen Erbe der Stadt auseinandersetzt sowie eine Städtepartnerschaft zwischen Flensburg und Charlotte Amalie auf den US Virgin Islands soll aufgebaut werden.
Am 5.12.2024 fand die Abschlussveranstaltung statt. Diese markierte das Ende der Entwicklung der Stadtstrategie Flensburg 2030+ und leitete in die Umsetzungsphase über. In einer Ausstellung wurden die gemeinsam erarbeiteten Ziele und Strategien vorgestellt, was einen umfassenden Überblick über die bisherigen Ergebnisse gab.
Jetzt richtet sich der Blick nach vorne: Im Jahr 2025 beginnt die Umsetzungsphase, unterstützt durch eine neue Koordinierungsstelle. Diese wird eine zentrale Rolle dabei spielen, die Maßnahmen in die Tat umzusetzen. Damit hat Flensburg einen wichtigen Grundstein gelegt, um die nachhaltige Transformation der Stadt voranzutreiben. Es liegt nun an allen Beteiligten, insbesondere auch an der Zivilgesellschaft, diesen Prozess kritisch zu begleiten und sicherzustellen, dass die gesteckten Ziele konsequent verfolgt werden, denn zu einem begleitenden Monitoring gibt es bisher keine Informationen.
Ein Beispiel zur Umsetzung kann sich Flensburg an der Stadt Solingen nehmen, dort wurde bereits im Jahr 2018 eine Stadtentwicklungsstrategie in den Stadtrat eingebracht und beschlossen. Im Anschluss daran wurden die Maßnahmen in einem Fünfjahresplan priorisiert und nach und nach umgesetzt, beispielsweise der Umbau der Busflotte auf Batterie-Oberleitungsbusse, der Ausbau erneuerbarer Energie und die Ausweitung städtischer Grünflächen. Weitere Ziele der Solinger Stadtstrategie sind die öko-faire Beschaffung der Stadtverwaltung und die Förderung von global nachhaltigen Lieferketten in der örtlichen Wirtschaft. Zur Umsetzung der Strategie wurde die Stabstelle Nachhaltigkeit und Klimaschutz direkt an das Büro des Oberbürgermeisters angegliedert und soll in den kommenden Jahren nachhalten, dass die gesetzten Ziele erreicht werden[10].
Die Regionalpromotorin Flensburg wird die Umsetzung der Strategie Flensburg 2030 weiterhin durch die Mitarbeit im Beirat begleiten und sich dafür einsetzten, damit die SDG-Umsetzung auf kommunaler Ebene vorangetrieben wird.
Das BEI fordert die Städte und Kommunen auf, die Punkte Umsetzung, Monitoring und Controlling bei ihrer SDG-Arbeit mitzudenken und sieht bei den kommunalen Spitzenverbänden in Schleswig-Holstein die Möglichkeit, die Kommunen, Städte und Kreise bei ihrer Arbeit in diesem Bereich zu unterstützen.
Wir fordern, dass das Land Schleswig-Holstein Leitplanken schafft, um die Umsetzung der SDG auf der kommunalen Ebene voranzutreiben, sodass die Kommunen dieser Aufgabe nachgehen können.