Im Portrait

Chancen ergreifen

Neue Perspektiven im ugandischen Baumwollanbau

Text: Benjamin Hellwig

Iwan Bwambale zum Auftakt der Fairen Woche in Eutin.
Foto: Benjamin Hellwig

Ivan Bwambale spricht über Chancen und Herausforderungen im Fairen Handel. Der Generalsekretär einer ugandischen Baumwollkooperative zeigt zum Auftakt der „Fairen Woche“ auf der Landesgartenschau in Eutin auf, was sich mit der Fairtrade-Zertifizierung verändert hat.

Als der Nieselregen eine Pause einlegt, wirft sich Ivan Bwambale das Jacket über und tritt ins Freie. Steuert entlang der Backsteinfassade der Orangerie den Kiesweg hinunter eine Parkbank an, wischt unkonventionell die Bretter etwas trocken, setzt sich. Von hier aus reicht der Blick zum Eutiner Küchengarten. Über Jahrhunderte produzierte man hier gärtnerische Erzeugnisse, belieferte die Hofküche des ostholsteinischen Städtchens, dann lag das Kulturdenkmal lange brach. Nun, zur Landesgartenschau, erfährt die Fläche die Chance, frisch aufzublühen. Langfristig soll sie als Lernort für Kinder erhalten werden. Bwambale lässt den Blick schweifen. Die Renaissance, von der der 29-Jährige Ugander zu berichten weiß, ist völlig anderer Natur.

„ALS 2012 DER PREIS FÜR DEN ROHSTOFF BAUMWOLLE IN UGANDA ZUSAMMENBRACH, WAR DAS EIN HARTER EINSCHNITT.“

Ivan Bwambale

„Als 2012 der Preis für den Rohstoff Baumwolle in Uganda zusammenbrach, war das ein harter Einschnitt“, sagt der Generalsekretär der ugandischen Baumwollkooperative Rwenzori. Und ergänzt: „Viele Bauern mussten sich daher verschulden. Sie konnten zudem die horrende Pacht, die die Landbesitzer verlangten, kaum noch bezahlen.“ 200 Farmer aus den abgelegenen und schlecht zu erreichenden Dörfern am Fuße der Rwenzori-Berge im Westen des afrikanischen Landes schloßen sich daraufhin zusammen. Sie gründeten noch im Dezember desselben Jahres die ‚Rwenzori Farmers Marketing Co operative Society‘.

Mitglieder der Kooperative bei der Feldarbeit.
Foto: Ivan Bwambale

„Wir wollten gemeinsam auftreten und unsere Baumwolle unabhängig von Zwischenhändlern selbst vermarkten“, sagte der 29-Jährige. In der Folge der Neustrukturierung habe er sich gefragt, welche nächsten Schritte die Perspektiven der Baumwollbauern weiter verbessern, wie höhere Preise erzielt werden könnten. Bei einer Internetrecherche stößt er auf das Fairtrade-Label, das in Deutschland durch die in Köln sitzende Initiative TransFair e.V. vertreten wird. „Ich war neugierig, realisierte, dass es viele zertifizierte Produkte gibt. Und fragte mich, warum sollte das nicht auch bei unserer Baumwolle möglich sein? Vielleicht könnte ich der erste sein, der es in Uganda einführt?“, sagt er. Bwambale kontaktiert die Organisation und geht in den Dialog mit der Zertifizierungsstelle. 2014 erhält die Kooperative das Siegel. „Tatsächlich sind wir die erste Fairtrade-zertifizierte Baumwoll-Kooperative in Ostafrika. Das macht uns stolz!“, sagt er mit zufriedenem Blick.

Es ist jene Initiative aus Köln, die ihn nach Eutin einlud. Bwambale eröffnet die „Faire Woche“ auf der Landesgartenschau mit seinem Vortrag über Chancen und Herausforderungen im Fairen Handel. Für die bundesweite Kampagne reist er für eine Woche quer durch die Republik. Berlin, Greifswald, Köln sind weitere Stationen seines ersten Besuches in Deutschland. Für ihn eine Tour mit hohem Stellenwert: „Dies ist eine besondere Geschäftsreise. Ich möchte Kontakte knüpfen, mich mit Baumwollspinnereien und Produzenten treffen – damit sich unsere Geschichte weiter entwickeln kann.“

„WENN ES WEITER SO ERFOLGREICH LÄUFT, ERMUTIGEN WIR VIELE MENSCHEN DAZU, EBENFALLS FAIRTRADE-BAUMWOLLE ZU PRODUZIEREN.“

Ivan Bwambale

Die größte Herausforderung liege darin, die Erlöse aus dem Verkauf der Baumwolle zu steigern. „Als ich hörte, dass wir mit Hilfe von Fairtrade einen Mindestpreis erzielen könnten, stimmte es mich glücklich und hoffnungsvoll für eine bessere Zukunft“, sagt Bwambale. Und wirft dann einen Blick auf die Historie: „In Uganda haben Farmer bereits vor der Geburt meiner Eltern Baumwolle angebaut. Aber durch die Zwischenhändler ergab es nie einen Sinn. Sie nahmen die Produkte ab und strichen die Gewinne ein. Oftmals lag der Erlös gar unter den Produktionskosten.“ Er holt sein Smartphone aus der Anzughose, sucht ein wenig darauf herum. Und zeigt dann auf das Display: „Diese Frau hier hat einen Kleinsthof. Sie konnte sich nie vorstellen, mit ihrer geringen Erntemenge direkt zu einem Produzenten zu gehen und so viel wie einer ihrer Zwischenhändler verdienen zu können. Aber genau das kann sie jetzt.“ Die Bauern profitieren zudem inzwischen von Verträgen, die ihnen das Handeln mit dem Rohstoff auch nach der Trennung von Kernen und Fasern erlaubt.

„OFTMALS LAG DER ERLÖS GAR UNTER DEN PRODUKTIONSKOSTEN.“

Ivan Bwambale

Die meisten der inzwischen mehr als 400 Mitglieder der Kooperative zogen von den höher gelegenen Regionen in tiefere Landstriche, um Baumwolle anzubauen. Jedes Jahr im Juni und Juli bereiten sie das Land vor, gepflanzt wird im August und September.

Baumwollpflanzen auf dem Feld.
Foto: www.shutterstock.com

Die Baumwollpflanzen reifen bis in den Dezember hinein, danach erfolgt die Ernte. Im September 2015 erhalten sie eine Prämienzahlung von 700 Euro von Fairtrade. Diese nutzen die Rwenzori-Farmer bereits vor den Ernteerlösen, um Projekte anschieben. „Wir schulen sie im Rahmen unserer Ausbildungsprojekte darin, wie die Pflanzen zu setzen sind, wie sie Schädlinge bekämpfen können, wann sie ausdünnen müssen. Und welche Aspekte bei den Themen Gesundheit und Arbeitssicherheit wichtig sind“, sagt Bwambale, der die Schulungsprogramme koordiniert und leitet. Zertikate in Agrarwissenschaften sowie Gesundheit und Arbeitssicherheit, zudem ein Diplom in Fremdenverkehr und Betriebswirtschaft seien seine fachliche Basis. „Zudem studiere ich gerade in meinem zweiten Jahr Rechtswissenschaften“, sagt er.

In einem weiteren durch die Fairtrade-Standards eingeführten Projekt gehe es um die Verbesserung von Bildungsstandards der Kinder. „Viele der Bauern haben Kinder, die in den schlechter zugänglichen, höher gelegenen Regionen leben. Unser Hauptinteresse ist es, ihr Leben und die Standards der Schulen sowie der Lehrer zu verbessern, damit sie mit denen der urbaner gelegenen Schulen mithalten können“, sagt Bwambale. Zudem planten sie Tageszentren, in denen Eltern ihre Kinder während ihrer Arbeit betreuen lassen können. „So müssen sie ihre Kinder nicht zu ihren Arbeitsstellen mitnehmen. Dies ist eine große Verantwortung für uns, zudem verfolgen wir damit Fairtrade-Standards, nach denen eine Duldung von Kindern am Arbeitsplatz ausgeschlossen ist.“

Baumwolle fertig für den Transport.
Foto: Ivan Bwambale

Bwambale ist im Aufbruch. Die Geschäftsreise geht weiter. Zum Abschluss spricht er über die Strahlkraft dieser erarbeiteten Perspektiven: „Ich glaube, wir alle haben die Verantwortung, das Wissen über Baumwolle in Uganda weiter zu verbreiten, damit alle Bescheid wissen. Die Erfolge der Kooperative werden überregional als gutes Beispiel wahrgenommen. Und all die positiven Aspekte wecken die Neugierde anderer Bauern. Wenn es weiter so erfolgreich läuft, ermutigen wir viele Menschen dazu, ebenfalls Fairtrade-Baumwolle zu produzieren“, sagt er. Und fügt darauf die weitere Zielsetzung an: Wir möchten uns weiterentwickeln, wollen ein führender Exporteur für Fairtrade-Baumwolle werden und dabei unseren Werten und den Standards von Fairtrade treu bleiben. Und ich will die Kooperationen mit anderen Organisationen initiieren.
Das sind unsere großen, großen Vorhaben.“

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