Nachgefragt

Ein Blick in die Schuh-Lieferketten

Text: Paul Walther // Fotos: ISA TRAESKO

Früher importierte das Unternehmen Holzschuhe aus Dänemark - heute ist die Lieferkette deutlich länger.

Das mittelständische Familienunternehmen ISA-TRAESKO mit Sitz in Neumünster hat seit 1974 seine Lieferkette von Dänemark und Schleswig-Holstein nach Asien, Nordamerika und in Europa ausgeweitet. Gestartet ist die Familie des heutigen Inhabers Carsten Heinz damals mit dem Import und Vertrieb dänischer Holzschuhe. Heute beliefert ISA-TRAESKO Groß- und Discountmärkte weltweit. Dabei jeden einzelnen Schritt in der Produktion der Waren nachzuverfolgen, ist eine erhebliche Herausforderung. Doch die Schuhimporteur*innen aus Neumünster wollen es wissen, auch hinsichtlich Umweltschutz und Arbeitsbedingungen in den Fabriken. Für Geschäftsführer Heinz ist die Transparenz in der Lieferkette deshalb ein wichtiges Anliegen.

Auch das Interesse der Kund*innen für die Produktionsbetriebe und -bedingungen steigt, erklärt die Juliane Michel, Head of Corporate Responisibility. Sie ist verantwortlich für die 2015 eingerichtete eigene Abteilung für unternehmerische Verantwortung. Ihre Abteilung ist direkt unter der Geschäftsleitung zugeordnet und besitzt dadurch ein Vetorecht bei sämtlichen Auftragsplatzierungen, sollten zum Beispiel menschenrechtliche Bedenken aufkommen. Seit 2017 veröffentlicht ISA-TRAESKO alle zwei Jahre einen Nachhaltigkeitsbericht nach dem GRI-Standard (Global Reporting Initiative) und legt seine Nachhaltigkeitsbemühungen dadurch offen.

„Uns ist es lieber, in einem offenen Austausch mit den Produzent*innen über die Realität in den Fabriken zu stehen, als ein perfektes Bild präsentiert zu bekommen, das sich nachher als falsch herausstellt", 

Juliane Michel, Head of Corporate Responisibility

Ein neuer partnerschaftlicher Ansatz

Juliane Michel leitet den Bereich Unternehmensverantwortung.

ISA-TRAESKO hat einen eigenen Sozialstandard entwickelt. Hierfür hat Michel mit ihrem Team aus ausgebildeten Auditor*innen einen Kriterienkatalog verfasst. Die Auditor*innen sind ständig vor Ort in einem Büro unweit der Produktionsstätten in China. Von dort arbeiten sie sich immer tiefer in die Lieferketten vor. Keine einfache Aufgabe, denn jeder Schuh besteht aus ca. 25 Komponenten mit eigenen Lieferketten.

Das Besondere an diesem Assessment ist, dass es auf dem Prinzip der Partnerschaft basiert. ISA‑TRAESKO will die Zulieferer*innen nicht nur kontrollieren, sondern erwartet Kooperation bei Verbesserungen besonders auch der Arbeitsbedingungen. Ein wichtiges Thema hierbei ist die weitverbreitete Akkordarbeit in der Schuhproduktion - jeden Monat überprüft das Team von ISA‑TRAESKO deshalb, ob Lohnzahlungen den geltenden Mindestlohn einhalten.

Um Transparenz bei Produktionspartner*innen zu erreichen, ist ein Vertrauensverhältnis unabdingbar. Ein solches braucht Übung und Zeit. Deshalb versucht ISA-TRAESKO langfristige Partnerschaften mit den Produktionsstätten aufzubauen. Bei Verstößen gegen den Kriterienkatalog werden Fabriken deshalb in der Regel nicht mit Vertragsauflösung bedroht. Sie werden zur Zusammenarbeit beim Beheben von Probleme aufgefordert und unterstützt. So soll kontinuierlich gemeinsam an Lösungen gearbeitet werden.

Allerdings zieht ISA-TRAESKO auch rote Linien; eine davon ist Kinderarbeit. Beobachten die Mitarbeiter*innen vor Ort solche Verstöße, führt das zu einem sofortigen Ende der Zusammenarbeit. Dabei bewegen sich die Kontrollen in einem schwierigen Feld. Häufig brächten die Arbeiter*innen zum Beispiel in den Schulferien ihre Kinder mit in die Fabriken. Andere Betreuungsmöglichkeiten haben sie dann in der Regel nicht. Für solche Fälle muss ISA-TRAESKO mit den Fabriken gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.

Offenheit braucht Vertrauen

Zu den Vertrauensübungen gehört auch, dass die Audits bei den Produktionspartner*innen angekündigt werden. So können diese alle Unterlagen bereithalten und für einen reibungslosen Ablauf sorgen. Allerdings besteht die Gefahr, dass etwaige Mängel verborgen und Auditor*innen getäuscht werden. Michel erklärt die schwierige Abwägungsentscheidung: Ausschlaggebend sei die Partner*innen zur Kooperation zu bewegen, ihnen soll vermittelt werden, dass diese Kooperation an vorderster Stelle steht.

„Uns ist es lieber, in einem offenen Austausch mit den Produzent*innen über die Realität in den Fabriken zu stehen, als ein perfektes Bild präsentiert zu bekommen, das sich nachher als falsch herausstellt“

Arbeitsbedingungen extern kontrolliert

Für die Kund*innen von ISA-TRAESKO sind externe Audits weiterhin eine wichtige Voraussetzung. Sie sehen darin ihre rechtliche Absicherung, sollten Vorfälle in den Fabriken bekannt werden. Abnehmer*innen und auch Verbraucher*innen vertrauen in die bekannten Siegel und Zertifikate.

Alle direkten Produktionspartner von ISA-TRAESKO sind also auch nach internationalen Sozialstandards zertifiziert. Das bedeutet, jährlich werden die Fabriken von externen Auditfirmen aufgesucht und nach einem standardisierte Verfahren u.a. hinsichtlich Arbeitsschutz und Umweltstandrads bewertet. Diese Überprüfung umfasst Punkte wie Gesundheitsschutz, Gebäudesicherheit, die Einhaltung von Arbeitszeiten und Mindestlöhnen sowie den Schutz vor Diskriminierung.

Kritik an solchen externen Sozialaudits bezieht sich unter anderem auf die oft oberflächliche Überprüfung, die sich wenig an den speziellen Bedingungen in der jeweiligen Fabrik orientiert. Die kurzen Besuche der Auditfirmen können zudem immer nur einen punktuellen Einblick in die Situation vor Ort geben.

Auch Geschäftsführer Heinz ist mit dem Aussagegehalt der externen Audits nicht zufrieden. Um sicher zu sein, dass Sozialstandards in der Produktion eigehalten werden, will er wissen, was in den Fabriken im Rest des Jahres passiert. Aufgabe seiner CSR-Abteilung ist deshalb, zu wissen, wie es läuft, wenn keine externe Auditfirma vor Ort ist.

Head of CR Michel sieht den Schlüssel für die sozialverträgliche Produktion langfristig jedoch nicht bei den externen oder internen Audits. Durch ständige Kontrollen allein können nicht die notwendigen, dauerhaften und nachhaltigen Veränderungen geschaffen werden. Der beträchtliche finanzielle und zeitliche Aufwand, könnte ihrer Meinung nach deutlich mehr bewirken, wenn er in Aufbaumaßnahmen und tatsächliche Entwicklung fließen würde.

Produktsiegel

Im Bereich der Sozial- und Umweltstandards existieren für Modeunternehmen auch Produktsiegel wie der mittlerweile schon gut bekannte GOTS-Standard (Global Organic Textile Standard). Zwischen dem Kundenwunsch nach niedrigen Preisen und dem Anspruch, so umwelt- und sozialverträglich wie möglich zu produzieren, ließen sich solche häufig schwer implementieren. Hier müsse die ganz konkrete Nachfrage seitens der Kund*innen noch steigen.

Beim Thema Kreislaufwirtschaft, setzt das Unternehmen allerdings auf ein Umweltsiegel, den „Global Recycled Standard“. Dieser garantiert, dass jeder Schritt in der Lieferkette des Schuhs bis zur Recyclinganlage überprüft wurde. Durch die großen Stückzahlen, die ISA-TRAESKO produzieren lässt, ist das Unternehmen mit ausreichend Marktmacht ausgestattet, das auch gegenüber Zulieferer*innen einzufordern.

Corporate Responsibility als Investment

Schritt für Schritt will sich ISA-TRAESKO zu einem immer nachhaltigeren Player in der Schuhbranche entwickeln, das ist keine einfache Aufgabe. Michel beschreibt den Weg als zeit-, mühe- und kostenintensiv. Sie sieht das Unternehmen dabei auch noch nicht am Ziel, sondern in einem Prozess, an dem stetig weitergearbeitet werden muss.

Für ISA-TRAESKO sei das allerdings lohnenswert: Die positiven Auswirkungen gehen dabei weit über ein hoffentlich beruhigtes Gewissen hinaus. Das Unternehmen sichert sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrent*innen, die sich nicht in solchem Maße mit ihrer Lieferkette auseinandersetzen. Durch das transparente Verhältnis zu den Zulieferer*innen, kennt man mögliche Risiken oder Engpässe bei Produktion sowie Qualität. Die zusätzlichen Kosten von etwa 0,5 Prozent des Jahresumsatzes werden von ISA-TRAESKO als Investment betrachtet. Auf Regulierungen und steigende Ansprüche für Menschenrechte und Umweltschutz in Lieferketten, z.B. das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, fühlt ISA-TRAESKO sich gut vorbereitet.

„Das Lieferkettengesetz schafft gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen zwischen Unternehmen. Niemand soll von menschenunwürdigen Produktionsbedingungen profitieren. Allerdings brauchen wir jetzt eine europäische Lösung, um einheitliche Spielregeln zu schaffen.“ 

Juliane Michel, Head of Corporate Responsibility ISA-TRAESKO

Weitere Infos um Thema

Change your Shoes!
Die Kampagne vom INKOTA-Netzwerk macht auf die Missstände in der globalen Schuh- und Lederindustrie aufmerksam. Das Ziel ist eine ethische, nachhaltige und transparente Schuhlieferkette.
Mehr dazu unter: https://cutt.ly/rThcPCz

Mehr zum Thema Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung bei ISA-TRAESKO finden Sie auf der Webseite des Unternehmens.

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