Nachgefragt

Norddeutsche BIO-Backwaren mit Gemeinwohl aus Glückstadt

Text: Paul Walther // Fotos: MOIN Bio Backwaren GmbH 

Seit 1995 produziert die MOIN Bio Backwaren GmbH ökologische Lebensmittel und gehört damit zu den Vorreitern in Schleswig-Holstein. Mittlerweile arbeiten mehr als 70 Menschen aus 12 verschiedenen Ländern in der Produktionsstätte in Glückstadt. Geschäftsführer*in sind der MOIN-Gründer Hans-Paul Mattke und Brigitta Sui Dschen Mattke, die mit zukunft.global über die Entwicklung von MOIN sowie das Konzept der Gemeinwohlökonomie sprach.

Gesellschaftlichen Wandel mit vorantreiben

Hans-Paul Mattke und Brigitta Sui Dschen Mattke sind Vorreiter*innen bei der Produktion von Bioprodukten. Über ihre Vision von einem Unternehmen, dass dem Gemeinwohl dient hat Frau Mattke mit zukunft.global gesprochen.

Der Anspruch der Mattkes ist, dass MOIN nicht nur Schritt hält mit dem gesellschaftlichen Wandel hin zur Nachhaltigkeit, sondern diesen mit vorantreibt. So ist auch das Unternehmen selbst ständig im Wandel und bemüht, den eigenen Prinzipien treu zu bleiben. Wichtigste Devise dabei: die Bedürfnisse der Menschen nach nachhaltigen, schmackhaften und bekömmlichen Backwaren erfüllen und dabei dem Gemeinwohl dienen So sieht Brigitta Sui Dschen Mattke die Rolle von MOIN in der Gesellschaft.

Als sie 2004 zu MOIN kam, wurden noch jeden Tag zwei Tonnen Teig von Hand bearbeitet. Heute ist MOIN technisch auf dem neuesten Stand, ohne dabei den handwerklichen Anspruch aus den Augen zu verlieren. Das erleichtert den Mitarbeiter*innen die körperlich anstrengende Arbeit in einer Backstube und entspricht dem Anspruch in achtsamer Haltung „gutes Essen für andere Menschen zu machen“.

Bei der Klimabilanz der Produktion setzt MOIN auf erneuerbare Energien. Eine eigene Photovoltaikanlage deckt 30-40 Prozent des Strombedarfs ab und mittlerweile sind alle Dienstfahrzeuge Elektroautos. Das Unternehmen geht somit konsequent auf die Klimaneutralität zu.

„Ich bin überzeugt, dass auch unsere Kund*innen den beständigen Willen zur Veränderung und Verbesserung zu schätzen wissen", 

Gründer Hans-Paul Mattke

Die Frage nach dem Gemeinwohl

Gründer Hans-Paul Mattke und der Zähler der Photovoltaikanlage, mit der Strom für seinen Betrieb & die E-Dienstfahrzeuge produziert wird.

2020 hat sich die MOIN Bio Backwaren GmbH zudem entschieden, sich Gemeinwohl-Bilanzieren zu lassen. Dahinter stand der Wunsch nach einer unvoreingenommenen sowie unabhängigen Untersuchung des Status Quo: Inwieweit MOIN den eigenen Ansprüchen nach Gemeinwohlorientierung bereits gerecht wird, war die ausschlaggebende Frage.

Bei einer Gemeinwohlbilanzierung wird ein Unternehmen zunächst intern in verschiedenen ökologischen und sozialen Kategorien eingeschätzt. Im nächsten Schritt überblickt ein*e externe*r Auditor*in diese Selbstevaluation und gibt eine endgültige Bewertung ab. Die Gemeinwohlbilanz orientiert sich an einer Matrix von „Werten“ und „Berührungspunkten“. Die Werte bilden vier Handlungsfelder ab. Sie umfassen die Bereiche Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und Mitentscheidung. Die bilanzierten Unternehmen werden danach beurteilt, was sie in den jeweiligen Bereichen hinsichtlich unterschiedlicher Stakeholdergruppen und an den „Berührungspunkten“ mit solchen für das Gemeinwohl leisten. Hierbei musste sich auch MOIN mit der unterschiedlichen Reichweite des eigenen Wirtschaftens befassen.

Neben den eigenen Kund*innen, Mitarbeitenden, Eigentümer*innen und Finanzpartner*innen werden auch die Lieferant*innen und das gesellschaftliche Umfeld in den Blick genommen. So gilt es z. B. die Menschenwürde sowohl an den zur Verfügung gestellten Arbeitsplätzen als auch die Rechte der Arbeiter*innen in den Zuliefererketten zu achten. MOIN erzielte auf Anhieb 533 von 1000 möglichen Punkten. Mattke sieht darin eine Bestätigung der bisherigen Arbeit von MOIN sowie das Potential und den Auftrag sich weiter zu verbessern.

Anstoß für weitere Verbesserungen

Beim Werksladen handelt es sich um ein Mitarbeiter-Projekt, das vor allem dem Kontakt zwischen Produzent*innen und Kund*innen dient. Verkauft wird speziell auch B-Ware, die zu lecker für die Tonne, aber doch nicht perfekt genug für den Supermarkt ist.

So wurde z. B. ein Mitarbeiter*innen-Projekt auf den Weg gebracht, das in den Gemeinwohl-Bereich der „Mitentscheidung“ einzahlt. Ein Werksladen wurde eröffnet als Begegnungsort zwischen Kund*innen und Mitarbeiter*innen. Der wirtschaftliche Gewinn wird vom MOIN-Team selbst verwaltet. 

Auch bei der Auswahl der Rohstoffe für die Produktion ist MOIN stetig auf der Suche nach Verbesserungen im Sinne der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit. Da umfangreiche Kapazitäten nötig wären, um jeden Rohstoff bis zu seinem Ursprung zu verfolgen, arbeitet MOIN an dieser Stelle eng mit ihren langjährigen Handelspartner*innen zusammen. Diese sind alle mit dem BIO-Siegel zertifiziert sind. In einigen Fällen geht das Unternehmen darüber hinaus und versucht Lösungen zu finden, wo der Markt den eigenen ethischen Ansprüchen noch nicht genügt.

Rohstoffpriorität: Geschmack und Nachhaltigkeit

Ein solcher Fall ist einer der umstrittensten Rohstoffe in der Lebensmittelindustrie, Palmöl. Bei vielen Hersteller*innen ist Palmöl beliebt, da es günstig ist und sich gut verarbeiten lässt. Aufgrund der großen Nachfrage steigen jährlich die Palmöl-Exporte besonders aus Südostasien und dem Amazonasgebiet. Dort fallen jedoch immer größere Teile tropischen Regenwaldes der illegalen Brandrodung zum Opfer, mit fatalen Folgen für die Lebensräume von Mensch und Umwelt.

Die Intransparenz bei der Produktion hat MOIN dazu motiviert, vollständig auf den Rohstoff zu verzichten und nach einer Alternative Ausschau zu halten. Fündig wurde man schließlich bei einem Projekt in Burkina Faso, das ökologische Sheabutter exportierte und Frauen vor Ort bei Existenzgründungen unterstützte. Zusätzlich zur besseren Nachverfolgbarkeit der Produktionsbedingungen bietet Sheabutter gegenüber Palmöl auch geschmackliche Vorteile. Mittlerweile bezieht MOIN Sheabutter zwar nicht mehr direkt über das anfängliche Projekt, sondern über einen deutschen Händler, der erst durch die Anfrage von MOIN von dieser Palmöl-Alternative erfahren hatte., Auch bei Schokolade ist MOIN auf der Suche nach Handelspartner*innen, die die Wertschöpfungsprozesse weitestmöglich im Produktionsland der Rohstoffe erhalten. Im Sinne einer besseren Klimabilanz und des Tierwohls verzichtet MOIN außerdem komplett auf Fleisch, Eier und Fisch in ihrer Produktion. Mithilfe der Sheabutter sollen auch zukünftig noch mehr vegane Produkte angeboten werden.

Menschenrechte „lernen“

Das Thema der „Menschenrechte in Lieferketten“ trägt MOIN auch ins Training der eigenen Auszubildenden hinein. An ausgewählten Thementagen verfolgen sie selbst die Lieferketten von MOIN-Produkten und erkundigen sich bei den Lieferanten eigenständig über die Produktionsbedingungen. So können die Auszubildenden Einblick gewinnen und ein Bewusstsein für Lieferketten sowie für die Verantwortung ihres Unternehmens erlernen.

Mattke ist überzeugt, dass auch ihre Kund*innen den beständigen Willen zur Veränderung und Verbesserung zu schätzen wissen. Sie begrüßt auch das Mitte 2021 beschlossene Lieferkettengesetz, welches Unternehmensverantwortung, besonders bei großen Unternehmen, verbindlich machen wird. Damit liegt in Zukunft die Verantwortung für nachhaltigeren Konsum nicht mehr allein bei den Verbraucher*innen.

Thema Gemeinwohlökonomie

Die Gemeinwohlökonomie (GWÖ) ist eine ehrenamtlich getragene Bewegung für ein neues, wertebasiertes Wirtschaftssystem. Mehr dazu online unter: https://web.ecogood.org

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