Reportage

Nachhaltiges Einkaufen im öffentlichen Dienst

Neue Arbeitskleidung für die Hausmeister des Gebäudemanagement Schleswig-Holstein

Text: Fridtjof Stechmann // Fotos: Benjamin Hellwig

Klaus Bothe repariert eine Lampe vor dem Schleswig-Holsteiner Landtag an der Kieler Förde.

Klaus Bothe ist Tischler und als solcher seit über drei Jahrzehnten als Hausmeister im öffentlichen Dienst tätig. Dienstherrin: Die GMSH Gebäudemanagement Schleswig-Holstein AöR. Es ist zehn Uhr morgens und die Sonne scheint auf den gefrorenen Rasen vor dem Gebäude des Landtags. Er repariert gerade eine der Außenbeleuchtungen an der Wasserseite und genießt den Blick auf die Kieler Förde. Dies ist der letzte Winter, den er hier arbeiten wird. Ende 2017 möchte er sich aus dem Arbeitsleben zurückziehen, offiziell geht er dann in Rente. „Es hat mir viel Spaß gemacht, hier zu arbeiten, aber bald werde ich mehr Zeit haben, im Privaten fleißig zu sein“, sagt er und lacht.

Das Leben der meisten Menschen besteht aus zwei Teilen: Arbeitsleben und Privatleben. Und für beide brauchen wir Nahrung, Kleidung, Möbel - eben alles, was zum Leben dazugehört. So kaufen wir nicht nur im privaten Alltag ein, sondern auch für unsere Arbeitswelt werden ständig Dinge angeschafft, die dafür notwendig sind.

„Jedes Jahr brauche ich ein Paar neue Arbeitsschuhe,
meine Latzhosen halten sogar fast zwei Jahre.”

Klaus Bothe
Werkstattarbeit im Landtagsgebäude

„Jedes Jahr brauche ich ein Paar neue Arbeitsschuhe, meine Latzhosen halten sogar fast zwei Jahre“, berichtet Klaus Bothe, als er auf dem Gehweg am Landtag kniet. Im Laufe der Jahre hat er bereits eine beachtliche Menge Arbeitskleidung verbraucht. Derzeit gehören eine ganze Reihe an Kleidungsstücken zu seiner Ausstattung an Arbeitskleidung der GMSH: Fünf Poloshirts, drei Arbeitshosen, eine Winterjacke, eine Pilotjacke, eine Arbeitsanzugsjacke, eine Regenjacke, zwei Fleecejacken, drei Sweatshirts, zwei Warnwesten, ein Paar Sicherheitsschuhe, Gummistiefel und diverse Handschuhe und Utensilien zum Arbeitsschutz wie Schutzbrillen, Helme, Staubmasken und Gehörschutz.

Die GMSH ist als Anstalt des öffentlichen Rechts ein Staatsbetrieb. Hier werden alle Dienststellen des Landes Schleswig-Holstein mit seinen öffentlichen Gebäuden betreut: Polizei, Gerichte und Gefängnisse, Ministerien oder Finanzämter. Gleichzeitig ist der Staat der Betrieb mit den meisten Mitarbeitern im Land. An die 70.000 Menschen arbeiten allein in Schleswig-Holstein für den öffentlichen Dienst. Und überall brauchen wir einerseits Dinge wie Baumaterial, Möbel oder Papier, aber auch Dienstleistungen von Firmen müssen eingekauft werden. Wenn die öffentliche Hand einkaufen geht, nennt sich das Beschaffung. In Deutschland wird so etwa jeder sechste Euro für die öffentliche Beschaffung ausgegeben. Das sind bundesweit rund 360 Milliarden Euro und europaweit sogar schwindelerregende 2,4 Billionen Euro pro Jahr.

Klaus Petersen leitet die zentrale Vergabestelle in der GMSH. Sein Team ist zuständig für alle Ausschreibungen über Lieferungen und Leistungen für alle Landesdienststellen, der GMSH selbst und sonstige Träger öffentlicher Verwaltung.

„Die Ausschreibung und Anschaffung neuer Arbeitskleidung für unsere Hausmeister ist gerade abgeschlossen. Ab Februar 2017 gilt der Vertrag mit einem Kieler Lieferanten für zwei Jahre“, erklärt Klaus Petersen von der Vergabestelle der GMSH. Er ist mit seinem 14-köpfigen Team für die entsprechenden Ausschreibungen zuständig: „Wir beschaffen alles was für die jeweilige Arbeit notwendig ist. Nur unsere Baumaßnahmen und die Vergabe freiberuflicher Leistungen werden von weiteren Abteilungen mit ungefähr 300 Kolleginnen und Kollegen betreut“. Der Geschäftsbereich Beschaffung der GMSH war im Jahr 2016 dadurch für einen Umsatz von ungefähr 350 Millionen Euro zuständig.

Kommunen und Gemeinden kaufen meist selbst ein, können aber das Know-How der GMSH als öffentliche Kompetenzstelle im Land für sich nutzen. Beispielsweise über einen Online-Shop, der Angebote bündelt.

Bei der Arbeit im Beschaffungswesen besteht eine Aufgabe darin, fairen Wettbewerb und die Einhaltung von Sozialstandards sicherzustellen. In Schleswig-Holstein regelt das Tariftreue- und Vergabegesetz diesen Prozess. Wird eine Anschaffung mit einem Auftragsvolumen von mehr als 15.000 Euro ausgeschrieben, verpflichtet das Gesetz den Einkäufer sogar dazu, sich davon zu überzeugen, dass die Waren internationalen Sozialstandards entsprechen.

„Ein Beispiel dafür sind Textilien, bei deren Herstellung möglicherweise Kinder arbeiten. Das wollen wir natürlich nicht. Und im Gegensatz zu Unternehmen in der freien Wirtschaft dürfen wir solche Aufträge auch nicht vergeben“, sagt Klaus Petersen nachdrücklich.

Die komplexen Vergabegesetze halten sich dabei an eine Vereinbarung, die als ILO-Kernarbeitsnormen bezeichnet wird. ILO steht dabei für die „International Labour Organization“, die ein Teil der Organisationen der Vereinten Nationen ist und bereits nach dem Ersten Weltkrieg eingerichtet wurde. Ihr Ziel ist die Sicherung des Weltfriedens durch soziale Gerechtigkeit.

„Die Entscheider müssen lernen damit umzugehen, denn nicht nur der Preis entscheidet, wer den Auftrag erhält.“

Klaus Petersen

„Wenn wir es mit Produkten zu tun haben, die in Ländern Afrikas, Asiens oder Südamerikas erzeugt werden, müssen wir genau hingucken“, sagt Petersen.

Das Schleswig-Holsteiner Gesetz definiert demnach neun Produktgruppen als „sensibel“ für die Verletzung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen bei der Herstellung. Darunter auch Kleidung und Textilien, Natursteine, Kautschuk- und Holzprodukte oder Agrarprodukte, wie Kaffee oder Kakao.

„Wir hatten mal den Fall, dass wir eine große Menge Winter- und Sommerreifen kaufen sollten. Bei ungefähr 1.500 Fahrzeugen, also 6.000 Stück. Und weil der Kautschuk der Reifen nicht aus Europa kommt und als sensible Ware eingestuft wird, mussten die Lieferanten entsprechende Zertifikate vorlegen“, erzählt Petersen.

Das Gesetz fordert Nachweise, dass entlang der Herstellungskette nicht gegen diese internationalen Vereinbarungen verstoßen wird. Zwangsarbeit, Kinderarbeit oder unterschiedliche Löhne für Männer und Frauen sind verboten.

„Die gesetzlichen Möglichkeiten und Pflichten sind da. Die Entscheider müssen lernen damit umzugehen, denn nicht nur der Preis entscheidet, wer den Auftrag erhält“, so Petersen. Vor allem die Europäischen Gesetze hätten in letzter Zeit enorm viel verändert. So sei gerade in 2016 das komplexe juristische System zur Vergabe erneuert worden, das einerseits viele Möglichkeiten und andererseits auch die Verpflichtungen schaffe, ökologische und soziale Aspekte zu berücksichtigen, kommentiert Klaus Petersen das neue Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und die neue Vergabeordnung. Nach diesen ist der Preis nur ein Faktor von mehreren, die zu einem Vertragsabschluss führen.

Die GMSH Gebäudemanagement Schleswig-Holstein AöR ist als Anstalt des öffentlichen Rechts für alle Landesdienststellen zuständig.

Beim Einkauf der neuen Arbeitskleidung für die Hausmeister hat die GMSH Prioritäten gesetzt. Bei der Ausschreibung zum Februar 2017 wurden von 1.500 möglichen Punkten, die das Angebot eines Lieferanten insgesamt erhalten konnte, nur 40 Prozent für den Preis herangezogen. Wichtigster Faktor bei der Arbeitskleidung war die „Bemusterung“ mit ungefähr 50 Prozent. „Vor allem wollten wir eine gute Qualität und vorher Muster zur Anprobe bekommen. Die Sachen müssen schon gut sitzen, denn sonst kann ich mich nicht sicher bewegen, auf einer Leiter zum Beispiel“, kommentiert Klaus Bothe vom Landtag seine Arbeitskleidung.

Beim Einkauf der neuen Arbeitskleidung für die Hausmeister hat die GMSH Prioritäten gesetzt. Bei der Ausschreibung zum Februar 2017 wurden von 1.500 möglichen Punkten, die das Angebot eines Lieferanten insgesamt erhalten konnte, nur 40 Prozent für den Preis herangezogen. Wichtigster Faktor bei der Arbeitskleidung war die „Bemusterung“ mit ungefähr 50 Prozent. „Vor allem wollten wir eine gute Qualität und vorher Muster zur Anprobe bekommen. Die Sachen müssen schon gut sitzen, denn sonst kann ich mich nicht sicher bewegen, auf einer Leiter zum Beispiel“, kommentiert Klaus Bothe vom Landtag seine Arbeitskleidung.

Da der Auftrag mehr als 15.000 Euro umfasst, wurden hier auch die ILO-Kernarbeitsnormen zum Schutz von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen bei der Herstellung berücksichtigt. Von den anbietenden Händlern wurden dazu Siegel und Zertifikate als Nachweis gefordert.

„Wenn im Februar der neue Satz Arbeitskleidung kommt, werden der Kollege Klaus Bothe und die 150 weiteren Hausmeister der GMSH diesmal auch ein „Oeko-Tex 100“ Label in ihrer Kleidung finden“, kommentiert Petersen.

Gütezeichen und Labels sind ein gängiges und wichtiges Hilfsmittel, um Waren zu kennzeichnen. Sie zeigen an, ob Prüfverfahren angewendet oder Inhaltsstoffe untersucht wurden. Heutzutage allgegenwärtig sind beispielsweise eine Vielzahl von Bio-Siegeln. Aber auch das bekannte Fairtrade Logo findet man auf Kaffee, Schokolade oder Tee in so gut wie jedem deutschen Supermarkt. Mithilfe dieser Gütezeichen wird meist auch der Nachweis zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen erbracht.

„Wir nutzen meist den Kompass Nachhaltigkeit, um uns bei den vielen Siegeln zu orientieren.“

Klaus Petersen

Aus der Vielzahl von Siegeln wurden in dieser Ausschreibung speziell fünf mögliche Gütezeichen angeführt, um die Kriterien gesetzeskonform zu erfüllen: Das Gütezeichen der „Better Cotton Initiative“ (BCI), der Blaue Engel (Textilien), das EU-Ecolabel (Textilien), das GOTS Siegel (Global Organic Textile Standard) und das „Oeko-Tex 100“ Zertifikat.

„Die große Menge an unterschiedlichen Siegeln in den Griff zu bekommen ist auch für uns in der Beschaffung eine riesige Herausforderung. Woher soll jemand hier am Schreibtisch wissen, ob ein bestimmtes Zertifikat wirklich bedeutet, dass die Herstellung so ist wie vorgeschrieben“, erklärt Petersen. Und fügt hinzu: „Wir nutzen dazu meist die bundesweite Datenbank des 'Kompass Nachhaltigkeit', um uns bei den vielen Siegeln zu orientieren.“ Diese Online-Datenbank ist von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) eingerichtet worden, um die komplexen Zusammenhänge bei der weltweiten Herstellung von Waren speziell für die öffentliche Beschaffung aufzuarbeiten. Denn die Einhaltung von Sozialstandards entlang einer globalen Lieferkette zu prüfen, ist eine sehr große Herausforderung. Gerade in einer so vernetzten weltweiten Produktion von Waren, wie wir sie heute überall vorfinden.

Klaus Bothe packt seine Werkzeuge zurück in die Tasche, zieht sich die Jacke an und sagt: „Ich kann mir nur wünschen, dass auch anderswo auf die Arbeitsbedingungen so sehr geachtet wird wie hier. Wie oft hab auch ich mit Materialien zu tun, die nicht gesund sind. Beim Schleifen oder Lackieren - immer Staubschutz. Sonst kann man den Beruf nicht so lange machen wie ich“, bemerkt der 62-jährige Klaus Bothe. Und ergänzt: „Deshalb befürworte ich natürlich, beim Einkauf darauf zu achten.“

Mit gepackter Tasche geht Klaus Bothe zur nächsten Lampe.

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