Nachgefragt

Zukunft säen

Im Gespräch mit Saatgutexperte Arne von Schulz

Interview: Benjamin Hellwig
Fotos: Domäne Fredeburg

Mehr und mehr diktieren einige wenige Großkonzerne, was auf unseren Tellern landet. Wie kann Saatgut wieder zum Kulturgut werden, so wie es Tausende Jahre lang in unserer Zivilisation der Fall war? ZUKUNFT.GLOBAL fragt beim schleswig-holsteinischen Saatgutexperten, -züchter und Ökolandwirt Arne von Schulz nach.


Hallo Herr von Schulz, Sie arbeiten als Züchter und Landwirt nach den Richtlinien des Demeter-Bundes auf der Domäne Fredeburg südlich von Lübeck. Wie sieht ein typischer Sommermorgen für Sie aus?

Seit 1991 unterhalten wir den Betrieb mit vier Familien, wir sind eine Betriebsgemeinschaft. Ich habe daher keinen klassischen Bauernarbeitsalltag. Mein Bereich ist in erster Linie der Gemüseanbau. Im Sommer geht es morgens um sechs meist zu dritt oder zu viert an die Ernte des Frischgemüses wie Kohlrabi, Salate etc. Danach putzen, waschen, Lieferungen vorbereiten. Anschließend frühstücken wir alle gemeinsam und besprechen den Tag mit der Hofgemeinschaft. Bis zu 20 Menschen sitzen da zusammen. Zudem leite ich hier die Pflanzenzüchtung und Saatgutvermehrung, die in die Gemüseproduktion integriert ist. Wir haben hier somit eine klassische On-Farm-Züchtung.


Sorte Rodelika: Möhrenblüten zur Saatgutgewinnung

Ein Samenkorn steht oftmals als Symbol für Fruchtbarkeit. Bei der Ernte Saatgut für die nächste Aussaat zurückzuhalten, ist ein jahrtausendealtes Verfahren. Global agierende Konzerne arbeiten mit einmalig verwendbaren Saatgutzüchtungen systematisch gegen diesen Ansatz. Ist „unfruchtbares Saatgut“ eine gute Geschäftsidee?


Aus Sicht des westlichen Wirtschaftsdenkens kann man die Frage mit Ja beantworten. Ob dies jedoch das Modell der Zukunft ist, ist eine komplett andere Frage. Es führt zu all den Problemen, die wir in diesem Bereich heute haben. Wir brauchen stattdessen nachhaltige Systeme, und die sind im Wirtschaftsleben nicht auf Konkurrenz ausgerichtet, sondern auf Kooperation. Oder, klassischer ausgedrückt, auf Brüderlichkeit. Es geht nicht darum, sich gegenseitig auszustechen, wenn beispielsweise nicht vermehrungsfähiges Saatgut dazu führt, dass der Konkurrent das Nachsehen hat. Entscheidend ist, dass wir zusammenarbeiten, und das vorrangig auf lokaler, regionaler Ebene. Das ist der Kern, dort müssen die Dinge im Lot sein. Wenn sich dieser Ansatz dann in größeren Zusammenhängen verbindet, ist das allerdings auch wichtig und gut. Auch der Weltagrarbericht kommt im Übrigen zu dem Ergebnis, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft wirklich nachhaltig ist, und nicht die Agrarindustrie.


„Die heutigen Kulturpflanzen sind ein echtes Kulturgut und damit auch ein Gemeingut. Und das muss geschützt werden.“

Arne von Schulz

Viele Sorten, die heute in gewöhnlichen Supermärkten ausliegen, sind im Besitz großer Konzerne wie Monsanto, BASF oder Syngenta... 


Saatgut ist zunächst ein Wirtschaftsgut, das ich produzieren und verkaufen kann. Die Sorte ist dabei die Eigenschaft, die dieses Saatgut hat. Die heutigen Kulturpflanzen sind durch viele Generationen über Jahrhunderte, teilweise Jahrtausende entstanden. Sie sind ein echtes Kulturgut und damit auch ein Gemeingut. Und das muss geschützt werden. Aber, und das ist der Clou: Es muss in erster Linie vor Privatisierung geschützt werden. Normalerweise, bei Patenten und auch beim Sortenschutz, sind es Eigentumsrechte, die den Erfinder oder Züchter schützen, nicht das Produkt. Was wir heutzutage machen, nicht nur ich, auch große Konzerne wie Monsanto: Wir nehmen dieses Kulturgut, entwickeln es ein Stückchen weiter, mit Eigenschaften, die es vorher nicht gab. Jetzt aber zu sagen, es ist damit meins, das geht nicht. Das geht in die falsche Richtung. Und dieses Denken treibt Blüten bis hin zu Katastrophen wie in Indien, wo das in den Himmel gelobte, teure Saatgut nach ein paar Jahren nicht mehr richtig funktioniert. Die Bauern sind wirtschaftlich am Ende, was zu dieser hohen Selbstmordrate führte (Etwa 220.000 indische Kleinbauern, vornehmlich Baumwollbauern, haben in den letzten 13 Jahren Suizid begangen. Der Anbau des gentechnisch veränderten Saatguts gilt als unproduktiv, Saatgut und Düngemittel sind zu teuer, der Ertrag zu niedrig, die Verschuldung hoch. Anm. d. Red.).


Mechanische Beikrautbekämpfung

Hybridsorten sind auf dem Vormarsch. Was genau ist das? 


Die Hybridzüchtung gibt es bereits seit vielen Jahrzehnten, sie begann mit dem Mais. Ein Hybrid, auch Bastard genannt, ist in der Botanik ein Kreuzungsprodukt aus zwei reinerbigen Eltern, was in der Natur so nicht vorkommt. Bei fremdbefruchtenden Pflanzen erreiche ich das mit allen möglichen Tricks, sodass nach einigen Generationen deren Mischerbigkeit verschwindet. Wird dann gekreuzt, ist die erste Generation daraus homogen, sehr vital und – wenn man Glück hat – auch noch leistungsfähiger, als die Elternpflanzen vorher waren. Bei einigen Kulturpflanzen kann es bis zu 20 Prozent mehr Ertrag geben. Beim weiteren Vermehren, wenn man aus deren Samen also wieder anbaut, spaltet es sich aber wieder auf. Diese Toppflanze hat man also nur für eine Generation, eine Eintagsfliege sozusagen. Sie wird somit quasi zum biologischen Patent, das mich als Landwirt abhängig macht, ich muss das Saatgut immer wieder neu kaufen. Und wenn man heutzutage die Saatgutkataloge aufschlägt, besonders bei Gemüse, aber auch schon bei Blumen, sind 80, 90 Prozent darin Hybride. Das Saatgut taugt nach dem Vermehren nichts mehr, es gibt keine Erbstabilität. Und diese wirtschaftliche Idee, bei der ich etwas produziere, das andere nicht nachmachen können, wird hier auf die Spitze getrieben.


Prüfende Blicke bei der Porreeernte

Wie unterscheiden sich genveränderte Organismen (GVO) hierzu? 


Bei GVO wird direkt in das Genom eingegriffen und, ganz entscheidend, es werden artfremde Gene übertragen. Wir wissen nicht, ob das schlimm ist oder nicht. Die Befürworter haben natürlich überhaupt keine Bedenken. Die Natur ändert sich genetisch, allerdings in wesentlich langsameren Schritten und auch nicht ohne Weiteres artübergreifend. Durch GVO kann man sehr schnell die natürlichen Verhältnisse aus der Balance bringen – mit allen Risiken wie Krankheiten und Allergien. Wir bringen als Menschheit ohnehin schon viel aus dem Gleichgewicht, hier aber in extremer Weise. Und diese beiden Richtungen, die Hybridzüchtung und die Gentechnik, kommen in sogenannten CMS-Hybriden zusammen. Dabei wird eine Krankheit genutzt, die männliche Sterilität, die auch in der Natur als Defekt vorkommt. Die Idee dabei ist, noch einheitlichere Pflanzen zu erhalten, wenn bei der Kreuzung eine Linie steril ist. Um diesen Defekt zum Beispiel von der Sonnenblume in den Chicorée zu transferieren, werden alle möglichen Tricks angewandt, beispielsweise eine Protoplastenfusion. Protoplasten sind Zellen, die biochemisch enthäutet wurden. Und sobald eine Zelle keine Haut mehr hat, können zwei Zellen fusionieren. Zudem wird die Hauptinformation entfernt, sodass nur die im Zellplasma steckende Unfruchtbarkeitsinformation fusioniert wird. Dieses Verfahren muss im Sinne des GVO-Rechts genehmigt werden, das Produkt, das dabei herauskommt, gilt allerdings vor dem Gesetzgeber nicht als genetisch verändert. Auch wenn es teilweise bestritten wird: Sachlich und fachlich betrachtet ist auch das Gentechnik, da genetische Informationen von einer auf die andere Pflanze übertragen werden. Eine Sonnenblume kreuzt sich nicht mit einem Chicorée, das kann in der Natur einfach nicht passieren!


Neuerdings ist das sogenannte Genome Editing in den Fokus gerückt, unter anderem durch die Technik des Crispr cas...


Hierbei werden keine fremde Gene eingeschleust, sondern das Genom umgearbeitet und neu sortiert. Auch das geschieht natürlich gentechnisch. Es wird noch in der EU-Kommision diskutiert, ob das gesetztlich als gentechnisch verändert gilt. In meinen Augen ist auch das ganz klar Gentechnik und nicht verantwortbar.

Alles im Blick: Jäten mit dem Jäte-/Pflanzrad

Gentechnikbefürworter werben beispielsweise beim Mais mit einem integrierten Herbizid, das sich Ungeziefer vom Leib hält... 


In die Maissorte 1508 wurden bestimmte Gene eines Bakteriums eingeschleust, deren Stoffwechselprodukt giftig für Insekten ist. Je weniger komplex nun aber ein Lebewesen ist, desto schneller passt es sich an. Und genau das ist beispielsweise mit einem Schädling in Brasilien passiert, der Maiszünsler ist gegen dieses Stoffwechselprodukt resistent geworden. Und plötzlich wirkt die Idee nicht mehr. Entgegen der imposanten Prophezeiung der großen Konzerne, dass weniger Pflanzenschutz eingesetzt werden müsse, passiert genau das Gegenteil. Es funktioniert nur kurzzeitig und danach schaffe ich mir andere Probleme, die auch wieder chemisch bekämpft werden müssen.


Welche Konsequenzen hat das für Sie als Demeter-Landwirt? 


Der gesamte Ökolandbau lehnt diese Techniken ab. In diesem Zuge ist das auch in die EU-Ökoverordnung eingeflossen. Und somit wollen und dürfen wir sie auch nicht anwenden. Wenn jetzt der Nachbar aber solche Pflanzen anbaut, haben wir und er ein Problem. Pollen werden von Insekten herübergetragen, aber auch durch Wind, Vögel und Traktorreifen geschieht der Transfer. Seit wir hier wirtschaften, 1991, bauen wir keinen Mais an. Trotzdem finden wir auf den Feldern Maiskörner, die durch Vögel oder Nagetiere verschleppt wurden. Der Anbau solcher Pflanzen ist eben grenzenlos – wenn sie einmal da sind, ist die Sache nicht mehr in den Griff zu bekommen. Chemische oder gar radioaktive Verunreinigungen kann ich über Jahrhunderte oder Jahrtausende eventuell regulieren. GVO aber vermehren sich und entziehen sich völlig unserem Zugriff. In Deutschland gibt es glücklicherweise nur wenige GVO. Vor allem aber, weil es die Haftungsfrage gibt. Daher rät der Bauernverband zur Vorsicht, auch wenn er es vom Sachlichen her befürworten würde. Weil er erstaunlicherweise industriefreundlich ist.


„Eigentlich sind die Konzerne Dienstleister für die Landwirtschaft, letztendlich aber hängen die Landwirte an ihrem Tropf – wenn wir nichts dagegen unternehmen!“

Arne von Schulz

Rund 70 Prozent der in Europa angebauten Agrarprodukte stammen inzwischen aus Saatgut von nur fünf Großkonzernen. Inwieweit wurde die Pflanzenzüchtung von Grund auf kommerzialisiert? 


Früher gehörte die eigene Produktion von Saatgut zur Arbeit der Bauern dazu. Nach und nach hat eine Arbeitsteilung stattgefunden, bis zur fast vollständigen Abhängigkeit der Bauern von den Konzernen. Eigentlich sind die Konzerne Dienstleister für die Landwirtschaft, letztendlich aber hängen die Landwirte an ihrem Tropf – wenn wir nichts dagegen unternehmen! Aktuell steht ja die Fusion von Bayer und Monsanto zur Prüfung, und kommt hoffentlich nicht.

Abreifende Möhrenblüte

Es gibt die These, wir bräuchten zur „Ernährung der Welt“ eine Hochleistungslandwirtschaft, die sich aller technischen Möglichkeiten, also auch der Gentechnik, bedient. Was kann eine ökologische Landwirtschaft leisten, die auf Vielfalt und samenfeste Sorten setzt? 


Diese These ist grundfalsch, sie taucht immer wieder auf, und zwar wider besseres Wissen. Es ist hinreichend bekannt, dass die Versorgung der Weltbevölkerung, auch wenn es nachher neun Milliarden Menschen oder mehr sind, nicht eine Frage der Produktionsmengen ist. Es ist eine Frage des weniger Wegschmeißens, des Verteilens und der Art des Wirtschaftens. Dabei ist die kleinbäuerliche Landwirtschaft nicht nur nachhaltig, sondern auch produktiver. Die Agrarindustrie fährt zwar auf den ersten Blick die höheren Erträge pro Quadratmeter ein, produziert aber auch einen Haufen Probleme, die wiederum gelöst werden müssen. Und sie führt nicht dazu, dass das, was produziert wird, tatsächlich auf den Tellern landet. Durch die regionalen Handelsstrukturen der Kleinbauern landet dagegen das meiste in den Mägen der Menschen. Wir brauchen vielmehr einen Paradigmenwechsel, einen Systemwechsel im Denken, um dieses Frage zu lösen. Keine kurzfristigen Strohfeuer, für die sich die Politik gern erwärmt, sondern langfristige Konzepte.

In den letzten 100 Jahren sind sukzessive mehr als drei Viertel unserer Agrarvielfalt verschwunden – welches Potenzial sehen Sie in dem Streben nach einer größeren Biodiversität, wofür brauchen wir Tausende Saatgutsorten? 


Wir brauchen die Vielfalt, um ein natürliches Gleichgewicht zu schaffen, um Langfristigkeit und Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Überall da, wo ich Monokulturen schaffe, schaffe ich Einseitigkeiten. Je mehr Variation eine Sorte hat, desto besser kommt sie zurecht. Genetisch einseitige Sorten dagegen sind störanfälliger gegenüber Umweltbedingungen. Auch wir hier können nicht alles durcheinander anbauen. Deswegen regeln wir die Vielfalt über den Faktor Zeit bei der Fruchtfolge. Erst nach neun Jahren kommt bei uns wieder die gleiche Kultur auf den jeweiligen Acker. 



Welche Rolle spielt die aktuelle Gesetzgebung, wenn es um die Aufnahme neuer Sorten in die offizielle Sortenliste der EU geht? 


Der Saatgutkatalog verspricht eine scheinbare Vielfalt, jedoch unterscheiden sich die seitenweise abgebildeten Möhren nur marginal in ihren Merkmalen. Jede Sorte, die kommerziell gehandelt wird, muss registriert und genehmigt werden, in Deutschland durch das Bundessortenamt. Um die Prüfung zu bestehen, gibt es drei Hauptkriterien: Die Sorte muss sich von anderen unterscheiden, muss beständig sein und ein homogenes Bild haben. Populationssorten, also samenfeste Sorten, die in ihren Eigenschaften eine gewisse Variationsbreite und Lebendigkeit haben, haben durch die Gesetzgebung der Zulassung Schwierigkeiten, scheitern an der Homogenitätshürde. Bei der Zucchini ist in den letzten 30 Jahren beispielsweise keine neue samenfeste Sorte zugelassen worden. 


Im Gespräch mit Auszubildenden zum Beispiel Porreeblüten

Sie sind neben Ihrer Arbeit als Landwirt und Züchter Vorstandsmitglied bei Kultursaat e.V. – was zeichnet den Verein aus?


Der Verein umfasst inzwischen deutschlandweit rund 25 Züchter, die alle On-Farm-Demeter-Sorten züchten, also nicht im Labor, sondern in gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Betrieben. Wir haben Kultursaat e.V. 1994 gegründet, weil wir merkten, dass es nicht ausreicht, wenn wir unabhängig von den großen Konzernen unser Saatgut produzieren. Es ist auch wichtig, unsere eigenen Sorten zu züchten. Das ist ein langwieriger Prozess. Auch hier nehmen wir die vorhandenen Kulturpflanzen und verbessern sie. Mittlerweile sind es über 80 Sorten, die angemeldet werden konnten, und drei bis viermal so viele, die in der Pipeline stecken. Das müssen wir finanzieren, wofür sich ein gemeinnütziger Verein anbietet. Stiftungen, zum Beispiel der GLS Saatgutfond der Zukunftsstiftung Landwirtschaft mit vielen Einzelspendern, sind dabei wichtige Förderer. Das, was wir züchten, ist kein privates Eigentum, hat keinen Sortenschutz oder gar ein Patent. Die Züchter sind lediglich Sorteninhaber. Die Sorten sind ein freies Gemeingut, jeder kann damit Saatgut vermehren, sogar kommerziell damit handeln. Der Verein Agrecol hat eine Open-Source-Saatgut-Lizenz entwickelt, die Rechtsbestand hat (www.opensourceseeds.org). Nutzungsbestimmung eins ist, dass die Sorten nicht privatisiert werden dürfen. Sie sollen durch diese rechtliche Verankerung Kulturgut bleiben.


Welche Vorteile gehen für den Endverbraucher damit einher? 


Er profitiert davon, da eben nicht nur einige wenige Großkonzerne bestimmen, was auf den Äckern wächst und was auf unseren Tellern landet. Es fördert zudem, dass die Menschen zusammenkommen, miteinander reden und sich fragen, was wir essen wollen, anstatt es sich diktieren zu lassen. Und dafür brauchen wir eine echte, große Vielfalt mit deutlich unterscheidbaren Qualitäten und keine Monopolstellung.


„Das, was wir züchten, ist kein privates Eigentum, hat keinen Sortenschutz oder gar ein Patent. Die Sorten sind ein freies Gemeingut, jeder kann damit Saatgut vermehren.“

Arne von Schulz

Welche Rolle spielt die Vernetzung von Initiativen, die sich für Sortenvielfalt und fruchtbares
Saatgut einsetzen? 


Das Vernetzen und Austauschen von Informationen ist sehr wichtig. Noch vor der Gründung und Züchtungsarbeit von Kultursaat e.V. ging es ganz pragmatisch darum, Saatgut zu produzieren. Die Bingenheimer Saatgut AG, Reinsaat in Österreich und Sativa Rheinau in der Schweiz, die heute auch unsere Sorten vermarkten, sind in dieser Zeit entstanden. Darüber hinaus gibt es die Vereine Saat:Gut e.V. und Apfel:Gut mit Bioland-Richtlinien. Dazu die verschiedenen Getreidezüchter, die aber leider noch nicht in einem Verein organisiert sind. Auch die Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut) ist eine wichtige Initiative. Und es gibt noch viele weitere. 


Rosenkohl im Blütenstadium
Foto: Benjamin Hellwig

Welchen Einfluss habe ich als Verbraucher, wenn ich die Arbeit der Züchter unterstützen möchte? 


Die eine Möglichkeit sind direkte Spenden an die Initiativen. Aber man kann noch sehr viel mehr tun. Beispielsweise, das Saatgut zu kaufen, wenn ich in meinem Garten selbst etwas anbaue. Das geht auch bequem per Internetshop. Das Verwenden der Sorten ist eine wichtige Option. Und drittens kann ich auch dazu beitragen, die Nachfrage bei den Produkten zu steigern: Was sind das für Möhren, die ich da kaufe? Sind Sortennamen überhaupt vermerkt? Sortenvermarktung, wie man sie bei Äpfeln beispielsweise gut kennt, ist nicht einfach, unsere Arbeit hat aber inzwischen Früchte getragen. Viele der Konsumenten hier am Hof und bei unseren Verkaufspartnern kennen beispielsweise inzwischen Rodelika, Milan und Oxhella als Möhrensorten, kennen ihre jeweiligen Eigenschaften. Und auch die Frage, ob das eine hybride oder samenfeste Sorte ist, wird immer öfter gestellt.

Steht die Zukunft unserer Ernährung am Scheideweg? 


Es ist in gewisser Hinsicht vielleicht noch nicht fünf vor, aber vielleicht sieben vor zwölf. Die weitere Entwicklung hängt auch davon ab, ob die Medien nur ans Geldverdienen denken oder ob sie auch noch irgendeine Art von Verantwortung spüren für die nachhaltige Weiterentwicklung der Menschheit. An der Stelle ist das nicht unerheblich. Möglich ist ein Wandel, auch durch die elektronische Datenvernetzung. Wir haben gesehen, zu welchen zivilen Bewegungen das führen kann. Ich habe Hoffnung, dass paradigmatische und systemische Veränderungen aus der Bevölkerung zu erwarten sind. Und zwar aus der Zivilgesellschaft. Weil dort wirklich starke Bewegungen entstehen können. In der Politik wohl eher kaum.


Weitere Infos unter:
Domäne Fredeburg www.domaene-fredeburg.de
Kultursaat e.V. www.kultursaat.org
Bingenheimer Saatgut AG www.bingenheimersaatgut.de
Saat:gut e.V. www.saat-gut.org
IG Saatgut www.gentechnikfreie-saat.org
Sativa Rheinau www.sativa-rheinau.ch
Reinsaat www.reinsaat.org

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