Im Portrait

Von einem, der auszog, Brücken zu bauen

Wie authentische Erfahrungen zum Globalen Lernen motivieren können

Text: Marco Klemmt

BtE-Referent Iván Murillo Conde aus Kolumbien

Mit Menschen zu reden ist immer besser als über sie zu reden. Und authentische Erfahrungen veranschaulichen besser als Informationen aus zweiter, dritter Hand. Daher vermittelt die regionale Bildungsstelle des Programms "Bildung trifft Entwicklung", kurz BtE, in Schleswig-Holstein landesweit über 50 qualifizierte Referent*nnen des Globalen Lernens und der politischen Bildung. Alle haben über einen längeren Zeitraum in Ländern des Globalen Südens gelebt und gearbeitet - oder sind dort geboren - und sind heute in Schleswig-Holstein zu Hause. Einer von ihnen ist der 33jährige Iván Murillo Conde aus Kolumbien.

Einer von ihnen ist der 33jährige Iván Murillo Conde aus Kolumbien. Er gehört zu der indigenen Gemeinschaft der Pijao. Seine Urgroßeltern lebten ihr ganzes Leben ländlich-traditionell in einer Gemeinde im Departamento Tolmina im Zentrum des südamerikanischen Landes. Iván selbst ist in einem, wie er sagt, "westlichen Lebensstil" in der Hauptstadt Bogotá aufgewachsen. Nach dem Studium der Meeresbiologie kam er nach Kiel, um hier seinen Master in Sustainability, Society and Environment zu machen. "Nachhaltigkeit und das Meer sind für mich eine einzigartige Kombination. Zudem wollte ich schon immer für die sprechen, die keine Stimme haben. Für das Meer. Für die Tiere.", erklärt er seine Motivation heute als Berater für Nachhaltigkeit zu arbeiten.

„Ich wollte schon immer für die sprechen, die keine Stimme haben. “

Iván Murillo Conde

Als BtE-Referent erhebt er nun seine Stimme für ein traditionelles Lebenskonzept aus den Andenländern Südamerikas. Für das Konzept "Buen Vivir", was soviel wie "Gutes Leben" bedeutet. "In Zeiten globaler ökologischer Krisen und enormen gesellschaftlichen wie ökonomischen Herausforderungen steht die Menschheit nicht nur am Scheideweg, sie ist auch auf der Suche nach Auswegen", ist Iván Murillo überzeugt. Nach Konzepten, die eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen. "Die globale Antwort bisher sind die SDGs. (Social Development Goals, Nachhaltige Entwicklungsziele der UN, Anm. Red.). Mit Buen Vivir stelle ich ein Konzept für Entwicklung und Wohlergehen aus anderen Kulturen und Gesellschaften vor."

Die Teilnehmer*innen seiner Seminare erfahren so, wie soziale, kulturelle, ökologische und wirtschaftliche Aspekten zusammenhängen und im Gleichgewicht funktionieren können. Er beginnt sie immer mit einem Kennenlernkreis und zwei Einstiegsfragen: "Was ist dir in den letzten Tagen Gutes passiert?" und "Was ist dir wichtig in deinem Leben?" So bekommt er einerseits ein erstes Gespür, was die Kursteilnehmer*innen momentan bewegt, andererseits bietet es die Chance, das anzusprechen, worum es bei Buen Vivir geht.

Es geht um Werte. Es bedeutet eine "kosmopolitische Vision" zu entwickeln, in der aus dem "Ich" ein "Wir" entsteht. Sowohl was die soziale Komponente anbelangt als auch die Sicht auf die Welt: globale Krisen lassen sich eben nur international lösen.

"Buen Vivir bedeutet, sich als Teil der Natur zu begreifen, nicht als dessen Verwalter."

Iván Murillo Conde

Iván möchte dabei Buen Vivir nicht als rückständiges, technologiefreies oder gar technologiefeindliches Lebensmodell verstanden wissen. Ganz im Gegenteil: Es ist vielmehr ein Lebenskonzept, um mit Technologie, Wirtschaft und Handel anders umzugehen. "Buen Vivir bedeutet, sich als Teil der Natur zu begreifen, nicht als dessen Verwalter," erklärt Ivan. Es ruft dazu auf, die Errungenschaften der modernen Welt auf ihre soziale, ökologische und ökonomische Implikationen hin zu hinterfragen und anderen Werten als nur den materiellen eine neue, höhere Bedeutung zu kommen zu lassen. Nicht dem Neo-Liberalismus und dem oft propagierenden "Weg der Individualität" folgen. Buen Vivir stellt damit, findet Iván Murillo, das westliche Konzept des Wohlstand in Frage. Ihm selbst fehlen beim westlichen Lebensstil allzu oft Empathie, Solidarität, ein Gefühl der Einheit und auch eine gewisse, nicht religiös begründete, Spiritualität. "Dabei", so Ivan weiter, "gibt es doch so viele Bereiche, in denen auch die westlichen Kulturen mit den Leitideen des indigenen Konzeptes übereinstimmen. Auch die Menschen hier wollen z. B. gute Arbeitsbedingungen, faire Löhne, gesundes Essen, eine intakte Umwelt."

In der Tat knüpfen hieran viele Bewegungen an. Um nur einige zu nennen: Fairer Handel, Klima-, Umwelt- und Tierrechtsgruppen, Gemeinwohlökonomie, Solidarische Landwirtschaft, urbane Gemeinschaftsgärten, alternative Wohn- und Lebensprojekte. "Und hier möchte ich Brücken bauen. Mich mit anderen über eine nachhaltige, zukunftsfähige und ganzheitliche Entwicklung auseinandersetzen", wünscht sich Iván.

"Buen Vivir gibt dabei keine Regeln vor. Es benennt aber wichtige Werte."

Iván Murillo Conde

Buen Vivir gibt dabei keine Regeln vor. Es benennt aber wichtige Werte, damit möglichst alle Menschen auf der Welt ein gutes Leben führen können. Im Einklang mit dem Wohl der Tiere und den natürlichen (Rohstoff-) Grenzen, die uns die Natur vorgibt. Ivan macht deutlich, dass es an uns liegt, diesen Werten ihre angemessene Bedeutung zukommen zu lassen. In seinen Seminare, aber anschließend auch in unserem alltäglichen Leben. "Am spannendsten finde ich daher immer, wenn wir dann gemeinsam schauen, wie die eigenen Handlungen eine nachhaltige Entwicklung beeinflussen und welche Möglichkeiten die Teilnehmer*innen für sich sehen, sich für weltweites gutes Leben einzusetzen und gleichzeitig die eigene Lebensqualität nachhaltig zu verbessern."

Zum Abschluss seiner Seminare wiederholt er gerne eine der beiden Eingangsfragen. "Und die meisten antworten dann nicht mehr nur mit materiellen Wünschen, sondern sagen, dass ihnen zum Beispiel auch Gesundheit, Gerechtigkeit, Freundschaft und Solidarität wichtig seien", freut er sich sichtlich.

Sie möchten Iván Murillo Conde buchen?

Dann melden Sie sich bitte bei der "Regionalen Bildungsstelle Bildung trifft Entwicklung" Schleswig-Holstein. Sie ist beim Dachverband Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V. (BEI) angesiedelt: Sophienblatt 100. 24114 Kiel

Tel.: 0431-679 399 03

Weitere Infos zum Programm "Bildung trifft Entwicklung" finden Sie hier

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